Das Geheime Markusevangelium - Teil 1

Das Geheime Markusevangelium

Y. Kuchinsky gegen Fälschung 1998

Datum: Mon, 13. April 1998 13:47:33 – 0400

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An: crosstalk [Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!]

Betreff: SecMk ist authentisch

 

Yuri Kuchinsky – Toronto in Kanada schrieb Folgendes: [Dies ist ein sehr guter Beitrag im Streit über die Echtheit des Geheimen Markusevangeliums. Ich stimme dem größten Teil dieses Beitrags zu. Yuri schrieb ihn, bevor er mit allen anderen in Streit geriet.]

Warum es unmöglich ist, dass es sich bei dem Clemens-Brief und dem Fragment des Geheimen Markusevangelium (GMk) um eine Fälschung von Morton Smith handelt.

Ich habe die langjährige Debatte nochmals aufgerollt. Im Zuge meiner aktuellen Forschung über die Kompositionsgeschichte des Markusevangeliums habe ich die beiden Bücher von Morton Smith zu diesem Thema nach vielen Jahren nochmals gelesen. Mich interessierte besonders, was das GMk über die Geschichte der frühen Christen berichtet.

Ich stimme Smith mit Sicherheit nicht in allem, was er sagt, zu. Im Gegenteil, es gibt einige Punkte, in denen Smith mit seiner Interpretation der frühen christlichen Geschichte falsch zu liegen scheint. Besonders in Bezug auf die Umlegung der Ereignisse, die im GMk erzählt werden, auf das Leben des historischen Jesu bin ich viel kritischer als er.  Das GMk scheint mir eher eine späte gnostische Erweiterung zu sein, die ebenfalls in Markus‘ Gemeinde entstanden ist. Nichtsdestotrotz hat Smith eine beachtliche Leistung in der Forschung auf diesem Gebiet geleistet und seine Bücher eröffneten mir bei meiner späteren erneuten Lektüre viele neue Erkenntnisse.

In den vergangenen Jahren herrschte die gängige Meinung, dass Smith selbst dieses erstaunliche Dokument gefälscht habe oder die Hauptperson eines Komplotts war, das diese Fälschung anfertigte. Derartige Annahmen wurden erst in letzter Zeit von dem bekannten Gelehrten Prof. Jack Neusner verbreitet, ein ehemaliger Schüler Smiths, der sich (aus Gründen, die überhaupt nicht mit dem Manuskript in Verbindung stehen) gegen Smith stellte. Da Neusner ein sehr einflussreicher Gelehrter in Bibelkreisen ist, gelten seine Ansichten als das Maß aller Dinge.  Als Folge unterstützten auch andere Gelehrte diese Anschuldigungen gegen Smith.

Mit diesem Artikel möchte ich zeigen, dass diese Anschuldigungen absolut unbegründet sind und dass sie nichts anderes als Zweifel über die Professionalität jener aufkommen lassen, die diese Anschuldigungen aussprechen.

Es muss natürlich hinzugefügt werden, dass es sehr viele Gelehrte gibt, die diesem GMk-Fragment skeptisch gegenüberstehen und es als Fälschung betrachten. Diese Gelehrten sind jedoch der Ansicht, dass es sich um eine alte Fälschung handelt, die entweder im 18. Jh. oder zwischen dem 2. und dem 18. Jh. angefertigt wurde.

Auf den ersten Blick ist es natürlich gut möglich, dass es sich hier um eine alte Fälschung handelt. Seit der Bekanntgabe Smiths der Entdeckung des Fragments 1958 nur einigen Gelehrten in einem privaten Kreis und 1960 der Öffentlichkeit, waren die verschiedensten Szenarien einer möglichen alten Fälschung der Stoff vieler wissenschaftlicher Diskussionen. Die Thematik dieser Diskussionen ist jedoch zu komplex, als dass ich sie in diesem Artikel näher ausführen könnte. Das Ziel dieses Artikels ist lediglich, Smith angesichts m.E. völlig ungerechtfertigter Vorwürfe eines Verbrechens zu verteidigen. Er war ein ehrlicher Gelehrter, der durch Zufall auf ein mysteriöses Manuskript stieß und der viele Jahre seines Lebens der Bemühung widmete, die Bedeutung dieses Manuskripts zu verstehen. Er hat es nicht verdient, auf diese schmutzige Weise beschuldigt zu werden.

Während es unmöglich war, dass Smith das Manuskript selbst gefälscht hat, wie ich später genauer ausführen werde, gelten die gleichen Argumente, wenn auch in einem geringerem Ausmaß, für jene Theorien, die von einer älteren Fälschung ausgehen. Ich habe diese Debatten im Detail studiert und die verschiedenen Meinungen der jeweiligen Gelehrten genauestens analysiert und bin nun zu dem Schluss gekommen, dass die Beweise darauf hindeuten, dass Clemens‘ Brieffragment authentisch ist, d.h. von Clemens selbst verfasst wurde. Ich bin der Ansicht, dass das gesamte Manuskript nichts anderes ist, als es vorgibt zu sein,  nämlich ein Brief von Clemens, der einen Teil einer laut Clemens geheimen Version des Markusevangeliums, die in der Alexandrinischen Kirche verwendet wurde, beinhaltet. (Außerdem scheint mir Clemens‘ Version über die Entstehung des Markusevangeliums, wie er sie in dem Brief angibt, aus welchen Gründen auch immer nicht ganz korrekt zu sein.)

 

DAS MANUSKRIPT SELBST

Es scheint, dass das Manuskript bisher von sehr wenigen Menschen gesehen wurde, eine Tatsache, auf die die meisten ernsthaften Gegner des GMk in den letzten Jahren ihre Kritik stützten. Dieses Manuskript warf sehr viele Fragen auf. Wo ist es? Wieso wurden nicht gewöhnliche Tests des Papiers, der Tinte oder anderer wichtiger Faktoren durchgeführt? Die Informationen, die Mahlon Smith vor kurzem über Crosstalk bekannt gab, wonach das Manuskript zwar erst kürzlich, aber schließlich doch von einem glaubwürdigen Zeugen gesehen wurde, ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig und hilft einige der Zweifel an dem Manuskript zu beseitigen.

Wie ich bereits erwähnt habe, könnte ein Grund, warum so wenige bisher das Manuskript gesehen haben, schlicht mangelndes Interesse sein. Es ist ja bei Weitem leichter, unbegründete Gerüchte und Anschuldigungen hinter jemandes Rücken zu verbreiten als tatsächlich zum Ort des Geschehens zu gehen und selbst Nachforschungen anzustellen, was natürlich Umstände wie Kofferpacken und Wegreisen impliziert... Es muss Charles Hendrick hoch angerechnet werden, dass er eben dies tat, um das Manuskript selbst zu inspizieren, anstatt endlos darüber zu sprechen, wie wenige es doch gesehen haben und, was es bedeuten könnte…

 

DREI FÄLSCHUNGEN IN EINER

Nun möchte ich meine Argumente für die Echtheit des Manuskripts anführen und zu Beginn die Tatsache betonen, dass wir hier eigentlich von drei  verschiedenen Fälschungen sprechen müssten. Lasst uns das also nicht vergessen. Im Detail hätte Smith also Folgendes tun müssen, um eine derartig komplexe Fälschung anzufertigen:

Er hätte nicht ein, sondern zwei Dokumente fälschen müssen:

1.    Den Clemens-Brief.

2.    Die beiden GMk-Fragmente.

Und das dritte, was er hätte bewerkstelligen müssen:

3.    Er hätte einen Schreiber finden müssen, der ein wahres Genie eines Schreibers ist und somit fähig wäre, ganz spezielle und einzigartige griechische Schriftarten des 18. Jh. zu fälschen und zwar makellos mit all den einzigartigen Abkürzungen und komplexen Schriftzügen. Niemand, der klar bei Sinnen ist, würde es wagen, Smith zu unterstellen, selbst ein exzellenter Schreiber gewesen zu sein. Aber nicht nur das. Er hätte natürlich einen Komplizen für das Ganze gebraucht.

Nachdem beide Texte, der Brief und das Evangelium-Fragment in zwei völlig unterschiedlichen Stilen verfasst sind und ein unterschiedliches Vokabular aufweisen, hätte Smith, um sie zu fälschen, ein Experte sowohl von Clemens als auch von Markus sein müssen. Er war jedoch keines von beiden, zumindest mit Sicherheit nicht vor 1958.

Nun möchte ich diese drei Aspekte der Reihe nach im Detail besprechen.

1.    Der Auszug aus dem Clemens-Brief ist viel länger als das Evangelium-Fragment und somit viel schwieriger, glaubhaft zu fälschen. Wie der bekannte Forscher auf diesem Gebiet, Thomas Talley klarstellte, gab es zu dieser Zeit nur sehr wenige Gelehrte, die die Echtheit der Überlieferungen in Clemens‘ Brief in Frage stellten. Jedes Wort und jeder Satz dieses Manuskripts des Clemens Briefs wurde unter dem Mikroskop genauestens analysiert und mit den zahlreichen von Clemens erhaltenen Texten, deren Echtheit außer Frage stehen, verglichen. Die zahllosen Ergebnisse dieser Vergleiche und Studien, die eine Fälschung ausschließen, können von Interessierten kostenlos eingesehen werden.

Von den 14 führenden Clemensgelehrten, die Smith um Rat fragte, hatten nur zwei Gelehrte Einwände. Smith beschäftigte sich intensiv mit ihren Anfechtungen, die eher kleinere technische Details betrafen und zeigte, dass diese aufgrund ihrer Unzulänglichkeit die Echtheit des Manuskripts nicht in Zweifel ziehen können.

Es ist wichtig für unsere Ausführungen, dass der Brief im Jahre 1980 in das Standardwerk der alexandrinischen Schriften aufgenommen wurde. [Talley, Thomas. „Liturgical Time in the Ancient Church: The State of Research.“ Studia Liturgica 14 (1982). S.45] Dies zeigt wohl sehr deutlich, welcher Meinung die Wissenschaftler der Clemens-Texte in dieser Angelegenheit waren.   

Somit scheint es sehr unwahrscheinlich zu sein, dass Smith es schaffte, diesen Brief zu fälschen und somit alle Gelehrten und Wissenschaftler weltweit derart täuschen konnte.

2.    Nun zum GMk-Fragment, das uns vor einer ganzen Reihe von komplizierten Fragestellungen stellt. Gelehrte diskutierten, ob man das Fragment rein linguistisch betrachtet einzig aus den Auszügen des kanonischen Materials zusammenstellen hätte können. (Nachdem fast jeder Gegner des GMk davon ausgeht, dass es sich um eine ältere Fälschung handelt, verlief die Debatte in erster Linie unter diesem Gesichtspunkt.) Die Beweise scheinen darauf hinzudeuten, dass das Fragment auf einer Originalüberlieferung vor jenen der kanonischen Evangelien basiert und somit nicht im Zusammenhangen mit diesen steht. Aber da das Fragment sehr kurz ist, ist es eher schwierig, einzig und allein aufgrund des Stils ein klares Urteil darüber zu fällen. Auf jeden Fall nahmen nur sehr wenige an, dass Smith selbst, der vor der Entdeckung des Manuskripts nicht als Markus-Gelehrter bekannt war, das Fragment ex nihilo, also aus dem Nichts, erzeugte.

Die nächste Frage zu diesem GMk-Fragment, die sich uns stellt, wenn wir annehmen, es sei authentisch, lautet: Wie passt es mit den kanonischen Evangelien zusammen? D.h.  was ist über den Inhalt des Fragments anstelle des Schreibstils zu sagen? Denn es muss gesagt sein, dass nicht nur die Parallelen zu dem restlichen Markusevangelium, sondern auch zu dem Johannesevangelium berücksichtigt werden müssen, da das GMk die Auferweckung eines Jünglings beschreibt, das der Schilderung der Auferweckung des Lazarus im vierten Evangelium sehr nahe kommt.

Aber das ist nicht alles: Smith hat in seinen beiden Büchern erklärt, dass es viel bedeutendere Parallelen zwischen dem Markus- und dem Johannesevangelium gibt, die weit über das Fragment hinaus gehen.

Smith zufolge gaben ihm die Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Fragment den Anstoß auf diesem Gebiet weiter zu forschen. Nachdem er die Parallelen zwischen dem GMk-Fragment und Johannes sah, wurden ihm plötzlich viel größere Gemeinsamkeiten zwischen vielen Teilen des Markusevangeliums (Beginn von 6:32; vergleiche S. 56 des GMk) und vielen Teilen des Johannesevangeliums (Beginn von 6:1). Er lehnt seine Theorie in diesem Gebiet teilweise auf die Arbeiten einiger früher Gelehrter, die zu Beginn dieses Jahrhunderts ähnliche Theorien die redaktionelle Geschichte Johannes und seine mögliche Verwendung des Markusevangeliums betreffend, aufstellten – unter anderem Bultman, N. Huffmann und vor allem Charles Dodd. (CLEMENT, S. 146 et seq.)

All diese komplexen Beziehungen hier zu behandeln würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Bei einer gerechten Betrachtungsweise müssten die Prototheorien des Markusevangeliums von Helmut Koester und Alfred Loisy, andere umstrittene Theorien über die Beziehung von Johannes, Lukas und Matthäus zu Markus (War Johannes wirklich von Markus‘ Strukturen beeinflusst?), Smiths eigene Ansicht, die sich im Laufe der Zeit eindeutig entwickelte und änderte, wie seine veröffentlichten Arbeiten zeigen, die Frage, wie viele andere Kommentatoren wie Crossan diesen Beweis bewerteten; mögliche aramäische ursprüngliche Quellen (Smith befürwortete diese Idee, erhielt diesbezüglich jedoch nur wenig Unterstützung von anderen Gelehrten); und vieles mehr berücksichtigt werden.

An dieser Stelle genügt es festzuhalten, dass wenn Smith diese zweite Fälschung tatsächlich angefertigt hätte und zwar so gut, dass Gelehrte nach 40 Jahren immer noch heftig darüber diskutieren, wir von nichts anderem als einem Wunder sprechen müssten. Und ehrlich gesagt glaube ich nicht an derart unwahrscheinliche Wunder.

 

EPIGRAFIK LÄSST WENIG RAUM FÜR ZWEIFEL

3. Schließlich kommen wir zu der Handschrift. Wie Smith in seinem Buch detailliert beschrieben hat, waren sich alle paleografischen Experten, die er in Griechenland und den USA konsultierte, darüber einig, dass das Manuskript auf das 18. Jh. zurückgeht. (S. 22-23 SECRET GOSPEL[1] listet Smith die Namen dieser Experten auf)

Natürlich wiegt die Meinung dieser Experten schwer. Schließlich sprechen wir hier von strengen Kriterien, nach denen sie ihr Urteil fällen, wie zum Beispiel die Verwendung spezieller Schreibligaturen, tiefgestellter Zeichen, sehr komplizierter Abkürzungen, sowohl in der Mitte des Textes als auch am Ende, Kronen, und andere Zeichen, die meistens nur Experten verstehen.

Und auch Smith hat in seinem Buch „CLEMENT OF ALEXANDRIA“  berichtet, dass ein seltenes Manuskript gefunden wurde, dass in seinem äußeren Erscheinungsbild erstaunliche Ähnlichkeiten mit unserem Manuskript aufweist.  Smith schreibt, dass ein griechischer Gelehrter, Prof. Scouvaras, Folgendes entdeckte:

„ …ein kirchliches Dokument aus dem 18. Jh. in einer alten griechischen Handschrift, das unserem Manuskript unglaublich ähnelt. [Es ist in Smiths Buch in Abbildung IV. dargestellt]…[Es ist]ein handschriftlicher Codex des ökumenischen Patriarchen Callinus III und wurde um 1760 in phanariotischer Handschrift, die kurz zuvor in Konstantinopel entwickelt wurde verfasst.“ (S. 2)

Also, liebe Leser, urteilt selbst: drei Fälschungen in einer, die Smiths Gegner ihm vorwerfen. Zwei einzigartige, alte Texte, die stilistisch und inhaltlich völlig unterschiedlich sind plus die Aufgabe, das Genie eines Epigrafen zu finden, der beide auf Papier niederschrieb. Liegt das im Bereich des Unmöglichen? Ich denke schon.

 

EIN UNMÖGLICHES SZENARIO

Und jetzt lasst uns skizzieren, was Smith alles hätte tun müssen, um diese drei Fälschungen anzufertigen. Zur Erinnerung, er machte die Entdeckung des Manuskripts, während er in der eher vernachlässigten Bibliothek des großen griechisch-orthodoxen Wüstenklosters, Mar Saba, in der Nähe von Jerusalem, gewöhnliche Manuskripte katalogisierte. Offenbar werfen seine Kritiker ihm vor, den Text in das Buch geschrieben zu haben und dieses dann in die Bibliothek geschmuggelt zu haben, während er dort arbeitete. Dies bedeutet, dass er sich zuvor jahrelang intensiv mit Clemens und Markus beschäftigt haben müsste und sozusagen ein „geheimer Top-Experte“ in diesen beiden sehr komplexen Wissenschaften wurde.

Und wenn er dies geschafft hat, und die beiden Texte verfasste, musste er den “Genieschreiber” finden, von dem man annimmt, er sei sein Komplize gewesen. (Oder fand er diesen Mittäter sogar schon, bevor er seine Schandtat plante?) Die beiden schafften es und produzierten die perfekte Fälschung. Danach ging er nach Mar Saba und schmuggelte die Manuskripte in die Bibliothek. Von da an entwickelte sich die Geschichte, wie bekannt.

Eine Frage liegt hier auf der Hand: Gibt es irgendeinen Beweis dafür, dass Smith bereits im Vorfeld wusste, dass er 1958 zwei Wochen lang in Mar Saba arbeiten würde? Tatsächlich wurde Smith erst 1958, als er bereits in Jerusalem war, von Benedict, dem Patriarchen von Jerusalem die Erlaubnis gegeben, die Bibliothek zu katalogisieren. (vergl. CLEMENT OF ALEXANDRIA, S. ix)

Meiner Meinung nach ist es der Vorsatz, die Dokumente zu fälschen, der diese Version der Geschichte unwahrscheinlich macht. Er hatte also die Idee: „Ich werde diese Fälschung anfertigen und das Buch in die Bibliothek schmuggeln.“ Und dann widmet er Jahre seines Lebens diesem Vorhaben und arbeitet dabei immer in strengster Geheimhaltung… Klingt das wie ein leichter, müheloser Streich, den manche als sein Motiv vermuteten?  

Außerdem muss hinzugefügt werden, dass die Argumentation für die Echtheit viel schwieriger gewesen wäre, wenn Smith dieses Manuskript in irgendeine andere Bibliothek als jene in Mar Saba geschmuggelt hätte. Das liegt daran, dass laut einer dokumentierten Überlieferung der Bestand einer Sammlung von Clemensbriefen in Mar Saba im Mittelalter bestätigt wurde.  Von daher war eine derartige Entdeckung in Mar Saba nicht vollkommen unerwartet….

Smith widmete viele Jahre seines Lebens der wissenschaftlichen Untersuchung des von ihm gefundenen Manuskripts. Manche Kommentatoren haben halb scherzend behauptet, die Menge an Arbeit, die er für das Manuskript aufwand, sei nicht mehr nachvollziehbar.  Nach dem Lesen seiner beiden Bücher scheint es wirklich so, als ob Smith von seiner Entdeckung besessen gewesen wäre.

Neusner und Co. behaupten also, dass Smith all diese Forschungen anstellte, bevor er das Manuskript „entdeckte“? Und die ganze Arbeit danach „täuschte“ er nur vor? Er suchte aber danach, nicht davor immer wieder zahlreiche bekannte Gelehrte auf! Viele dieser Gelehrten leben heute noch und erzählen ihre Sicht der Geschichte…

Zusammenfassend, lässt sich sagen, dass das Zustandebringen drei derart komplizierter Fälschungen, die Fähigkeiten eines Menschen übersteigt. Allein der Versuch, dieses hoffnungslose und zeitraubende Vorhaben in die Tat umzusetzen, wäre schon blöd und Smith wurde eigentlich nicht für blöd gehalten.

Wenn man Smiths Entdeckung objektiv betrachtet, erkennt man, dass sie wirklich nicht viel beinhaltet. Welche weltbewegende Reaktion hat er damit hervorgerufen? Abgesehen von einigen seltsamen Streitigkeiten unter professionellen Textkennern, nicht viel. Es ist nicht so, dass das Manuskript plötzlich auftaucht und sagt: „Jesus war homosexuell und die gesamte christliche Religion ist ein Schwindel“… Absolut nicht. Alles, was es tatsächlich sagt, ist, dass die karpokratianischen Ketzer pervers waren und die Schriften verfälscht haben. Aber das ist bereits davor bekannt gewesen. Daher hätte sich eine gewaltige Fälschung wie diese gar nicht so gelohnt.
 

Fazit: Die Manuskripte sind authentisch.

Und all jenen, die immer noch daran zweifeln, lege ich die Tests der Tinte des Manuskripts nahe. Diese Tests werden gewiss alle Zweifel an der Echtheit dieses sicherlich sehr faszinierenden und womöglich auch enthüllenden  Dokumentes, beseitigen.

Grüße, Yuri.

Yuri Kuchinsky Toronto

 

[Weiterlesen bei Teil 2]
 

 

[1] Die dt. Übersetzung trägt den Titel: Auf der Suche nach dem historischen Jesus, Frankfurt/Berlin/Wien, 1974

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