Der Sultan und sein Wesir

Eilig erschien der Wesir vor des Sultans Angesicht,
um Hilfe flehend, auf Knien liegend, er zu ihm spricht:
"Gib mir ein Pferd, mein Sultan, ein schnelles Pferd ...
Nach Isfahan muss ich fliehen, bevor die Nacht einkehrt."

"Aber was ist der Grund zu dieser großen Eile?"
"Im Garten war ich vor einer kleinen Weile,
Dort, wo die schönen Rosen blühen,
und die Springbrunnen ihre Wasser sprühen,
Ganz versunken war ich in diese Pracht,
doch plötzlich: ein Gespenst sei erschienen,
hab ich gedacht.

Vor mir Malik Al-Maut, der Todesengel stand,
voll Schreck ich kaum noch Atem fand.
Mein Gesicht sah er sich an, als ob er mich erkannte,
aus Angst um mein Leben ich zu Euch rannte.
Ein Pferd, mein Sultan, mit Flügeln aus Wind,
Furcht hat wohl jeder, weil Menschen wir sind.

Voll Staunen der Sultan das alles vernahm,
und Sorge um seinen Wesir ihn überkam.
Ein Pferd aus edelstem Geblüt
schenkt er dem Bittenden aus eigenem Gestüt.
Auf des Rassepferdes Rücken, das in Schönheit sich sonnt,
flog der Wesir entgegen dem fernen Horizont.
Es gab keine Pause, noch gab es Rast,
er musst' nach Isfahan, noch in dieser Nacht.

Die Sonne ging unter, doch draußen die Luft war schwül;
der Sultan in den Garten ging, dort war es schön kühl.
Da fand er Malik Al-Maut am beschriebenen Platz,
auf einem Lichtteppich, leuchtend wie ein Schatz.
Da sagte der Sultan:
"Verzeih mir mein Fragen,
doch warum erschrecktest du meinen Diener,
willst du mir's sagen?"

"Meine Absicht war nicht, ihn zu erschrecken,
Weil Allah mir befohlen, dass dieser Mann
heut' sein Leben soll lassen in Isfahan.
Zu sehen heut früh, dass in Bagdad er war,
erschien mir doch allzu sonderbar."
*~*~*
Der Tod ist ein niemals fehlender Pfeil,
wohin man auch flieht, vor ihm gibt es kein Heil.

 

© Die Wahrheit im Herzen

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