Fiqh der Ehe - 5 - Der Vertrag

V – Der Vertrag

 

Der Ehevertrag

Die Ehe im Islam ist ein Vertrag. Deshalb gibt es wie in jedem Vertrag im Islam Elemente, welche als wesentlich für seinen Bestand angesehen werden, Arkan genannt, die Möglichkeit der Festlegung verschiedener Arten, rechtlicher Wirkungen des Vertrages, usw. Jedes davon sollte richtig verstanden werden, um sicherzustellen, dass die Ehe in richtiger Weise ausgeführt wird und die rechtmäßige Auswirkung der Ehe ist jedem der beteiligten Partner gewährt.

 

Definition von Rukn und Shart

Rukn (Plural: Arkan) kann als „Säule“ übersetzt werden und ist ein wesentlicher Teil der gültigen Wirklichkeit einer Sache. Ohne es gibt es keine gültige Wirklichkeit.

Shart (Plural: Shurut) kann als „Voraussetzung“ oder „Bedingung“ übersetzt werden und ist ein Erfordernis für die rechtmäßige Wirklichkeit/Gültigkeit einer Sache aber 1) es ist außerhalb davon und/oder 2) es hebt nicht völlig die gültige Wirklichkeit auf, wenn es nicht vorhanden ist.

Az-Zuhaili schreibt:

„Laut den Hanafis ist ein Rukn etwas, von dem die Existenz von etwas anderem abhängig ist, es ist jedoch auch ein Teil der Sache, welches davon abhängig ist. Ein Shart ist für sie eine Voraussetzung, von der die Existenz von etwas anderem abhängt, aber es ist kein Teil von dieser anderen Sache.

Für die Mehrheit (der Gelehrten) ist ein Rukn die Sache, auf der die Sache und seine Existenz bestehen bleibt, es kann nicht in der Wirklichkeit ohne es existieren oder es ist etwas, was ein Muss ist. Deren berühmter Ausdruck ist „Es ist eine Sache, bei der die Scharia-Wirklichkeit einer Sache nicht ohne es existieren wird.“  Das ist der Fall unabhängig davon, ob es tatsächlich ein Teil der Sache ist oder etwas, was davon getrennt ist. Ein Shart ist für sie etwas, wovon eine andere Sache abhängt, welche jedoch nicht Teil davon ist.“ [Wahbah Az-Zuhaili, Al-Fiqh Al-Islami wa Adillatuhu (Berut: Dar Al-Fikr, 1985) Band 7, S. 36]

Das folgende Beispiel zeigt den Unterscheid zwischen dem Hanafi Ansatz und dem der restlichen Denkschulen. Die tatsächliche Existenz eines Mädchens, die verheiratet werden soll, ist etwas, was außerhalb des Ablaufes des Ehevertrages liegt. Deshalb, da es außerhalb ist, würden die Hanafis es nicht als Rukn bezeichnen, obwohl es offensichtlich ist, dass keine Heirat ohne ihre Existenz stattfinden würde. Dies macht es zu einer Shart in ihrer Terminologie. In den anderen Denkschulen ist die Tatsache, dass keine Heirat ohne die Existenz des Mädchens, welche verheiratet werden soll, stattfinden kann, genügend um ihre Existenz eine Rukn des Ehevertrages zu nennen, auch wenn ihre Existenz außerhalb des tatsächlichen Vertragsablaufs selbst ist.

 

Die Arkan eines Ehevertrages

Alle Gelehrten sind sich darüber einig, dass „Antrag und Annahme“ (Al-Ijaab wa al-qubul) zu den Arkan der Ehe zählen. Es gibt einen Meinungsunterschied, was die andere Arkan betrifft, welche nachfolgend erörtert werden:

 

Die Arkan einer Ehe nach den Hanafis

Der Antrag und die Annahme sind die einzigen Arkan des Ehevertrages in der Hanafi Fiqh, aufgrund ihrer Definition von Rukn, wie sie bereits erklärt wurde. Darüber hinaus kann in der Hanafi Fiqh der Antrag/die Annahme von beiden Parteien kommen.

 

Die Arkan einer Ehe nach den Jamhur (die Mehrheit der Gelehrten)

  • Antrag und Annahme zählen zu den Arkan. Für die meisten dieser Gelehrten muss der Antrag von Seiten der Frau kommen und die Annahme von Seiten des Mannes.
  • Die zwei Parteien des Antrags: der potentielle Ehemann und der Vormund der Frau.

Einige zählen auch die folgenden zu den Arkan, auch wenn die meisten der Gelehrten sie zu den Shurut zählen:

  • Die Anwesenheit von Zeugen.
  • Die Brautgabe.

 

Die Formulierung des Vertrags

Es gibt verschiedene Meinungen darüber, welche genauen Formulierungen für den Abschluss des Ehevertrags gültig sind. Aus all diesen Meinungen wird deutlich, dass die beste Meinung ist, dass jede Formulierung, welche die Absicht des Vertrags allen Beteiligten deutlich macht, als eine gültige Eheschließung angesehen werden sollte, obwohl die beste Form die ist, welche tatsächlich vom Propheten (Frieden und Segen seien auf ihm) und seinen Gefährten genutzt wurde. Es wird auch als beste Vorgehensweise angesehen, wenn der Vertrag mündlich durchgeführt wird. Es kann jedoch aufgrund von Bedarf und Notwendigkeit sein, dass er in Schriftform und mit Unterschrift ausgeführt wird.

Unten den verschiedenen, möglichen Ausdrucksweisen sind die deutlichsten Ausdrücke, wie „Ich heirate dich“ die, welche von allen akzeptiert werden. Alles, was auf eine zeitlich begrenzte Art und Weise des Vertrags hinweist, ist verboten. Bei anderen Formulierungen gibt es Meinungsverschiedenheiten, wie bei „Ich biete dir“, „Ich gebe dir“, „Ich verkaufe dir“, usw.

 

Der Hanafi und Maliki Ansatz

Diese Meinung besagt, dass jeder Ausdruck, welcher selbst deutlich ist, oder durch den Zusammenhang deutlich wird und in dieser Weise eine Ehe bedeutet, als gültig angesehen wird, wenn die Zeugen und die Parteien es als solches verstehen. Dies wird auch durch einen Abschnitt eines langen Verses belegt, in dem Allah alle Kategorien von Frauen erwähnt, welche Halal für den Propheten (Frieden und Segen seien auf ihm) sind:

„…und jedwede gläubige Frau, die sich dem Propheten schenkt, vorausgesetzt, dass der Prophet sie zu heiraten wünscht; (dies gilt) nur für dich und nicht für die Gläubigen…“ [der edle Quran 33:50]

Es ist auch überliefert, dass der Prophet (Frieden und Segen seien auf ihm) selbst folgende Formulierung benutzte, um eine Ehe zu schließen:

"Ich habe sie dir in deinen Besitz gegeben für den Quran, den du besitzt" [Al-Bukhari]

 

The Hanbali und Shafi'i Ansatz

Diese Meinung besagt, dass die Heirat nicht richtig ist, bis Formulierungen mit folgenden Wörtern benutzt werden, welche in Quran und Ahadith zu finden sind: Nikah oder Zawaj. Ihre Antwort auf oben genannten Beweis ist, da der Vers deutlich auf etwas bezogen ist, dass speziell dem Propheten (Frieden und Segen seien auf ihm) gegeben wurde, es hier nicht anwendbar ist und das die tatsächlichen Worte des Hadiths von dem Erzähler sind, der es eventuell nicht richtig übermittelt hat. Das Resultat: Die Ehe ist ein Vertrag und wie bei jedem anderen Vertrag, wenn allen Parteien die Absicht und das Ziel des Vertrags klar sind, werden keine zusätzlichen Einschränkungen der tatsächlich benutzten Formulierungen benötigt. Auf der anderen Seite gibt es, aufgrund der Ernsthaftigkeit dieses Vertrages, keine Bedrängnis im Festhalten an den ursprünglichen Wörtern, welche am häufigsten vom Propheten (Frieden und Segen seien auf ihm)  und seinen Gefährten benutzt wurden.

 

Muss es auf Arabisch sein?

Laut der Mehrheit der Gelehrten besteht keine Notwendigkeit darin, dass der Ehevertrag auf Arabisch durchgeführt wird, selbst für die, die Arabisch sprechen können. Jene der Hanbali Schule, welche die Benutzung der Wörter Nikah oder Zawaj fordern, verlangen auch, dass der Vertrag aus diesem Grund auf Arabisch ausgeführt wird.

 

Die verschiedenen Arten von Shurut (Bedingungen und Voraussetzungen)

An dieser Stelle müssen wir die Definition einiger allgemeiner Begriffe in der islamischen Fiqh lernen, welche in vielen Themengebieten vorkommen, so wie in dem vorliegenden.

Sahih (Gesund). Ein Vertrag der alle Arkan und Shurut erfüllt und volle Gültigkeit vor Gesetz hat.

Batil (Nichtig). Ein Vertrag, der nicht alle genauen Arkan und unerlässlichen Shurut erfüllt hat. Ein Vertrag, der Batil ist, ist das Gegenteil eines Vertrages, welcher Sahih ist und hat keine rechtmäßige Gültigkeit. Wenn entdeckt wird, dass ein Ehevertrag nichtig ist, auch wenn es erst nach der Ehevollziehung entdeckt wird, ist der rechtmäßige Zustand der, als ob sie nie stattgefunden hätte. Die Abstammung des Vaters wird nicht festgestellt und die Frau hat keine Wartezeit (Iddah). Ein Beispiel hierfür ist, dass ein Mann eine Frau geheiratet hat, welche zu dem Zeitpunkt schon mit einem anderen Mann verheiratet war.

Fasid (Fehlerhaft). Dies ist ein Vertrag, welcher einige Shurut nicht erfüllt, aber die Arkan. Für Nicht-Hanafis hat Fasid und Batil dieselbe Bedeutung. In der Hanafi Fiqh hat eine Ehe, die Fasid ist, eine rechtmäßige Konsequenz, vor allem wenn die Ehe bereits vollzogen wurde.

Hinsichtlich der Ehe gibt es vier unterschiedliche Arten von Bedingungen, welche eingehalten werden müssen:

Bedingungen, welche zur Veranlassung des Vertrags erforderlich sind (Shurut al-in'iqad). Dies sind die Bedingungen, welche vorhanden sein müssen bezüglich der Arkan oder der Grundlagen des Ehevertrags.

Bedingungen, welche für die Zuverlässigkeit des Vertrags erforderlich sind (Shurut as-sihha). Dies sind die Bedingungen, welche erfüllt sein müssen, damit die Ehe rechtmäßig gültig ist. Wenn diese Bedingungen nicht erfüllt werden, ist der Vertrag „fehlerhaft“ (Fasid), laut der Hanafi Fiqh und „nichtig“ (Batil) laut der anderen Denkschulen.

Bedingungen, welche für die Ausführung des Vertrags erforderlich sind (Shurut an-nifadh). Dies sind die Bedingungen, welche erfüllt werden müssen, damit die Ehe tatsächliche praktische Auswirkungen hat. Wenn diese Bedingungen nicht erfüllt werden, dann ist die Ehe „eingestellt“ (Mauquf) laut der Hanafi und der Maliki Fiqh. Ein Beispiel wäre ein minderjähriges Mädchen, bis sie die Pubertät erreicht.

Bedingungen, welche erforderlich sind, damit die Ehe verbindlich wird (Shurut al-lazum). Wenn diese Bedingungen nicht erfüllt werden, dann ist die Ehe nicht verbindlich, das heißt, dass die beiden Parteien oder andere das Recht haben, diese Ehe zu annullieren. Wenn sie die Ehe mit solchen Mängeln annehmen, dann ist die Ehe verbindlich.

 

Erstens: Shurut, welche für die Veranlassung des Vertrags erforderlich sind

In dieser Kategorie gibt es Bedingungen, welche sowohl die beiden, die heiraten wollen, betrifft, als auch die Form, in welcher Der Vertrag durchgeführt wird.

Die zwei betreffend, die heiraten werden

Die beiden müssen die Bedingung der rechtmäßigen Fähigkeiten erfüllen, das heißt, sie müssen erwachsen und bei gesundem Verstand sein. Wenn sie es nicht sind, ist die Ehe ungültig.

 

Zweitens kann eine Frau nicht aus den Kategorien von Frauen stammen, welche für einen Mann verboten sind, sie zu heiraten. Nehmen wir zum Beispiel an, dass ein Mann eine Frau geheiratet hat und später stellen sie fest, dass sie von derselben Frau gestillt wurden. In diesem Fall ist es, als hätte die Ehe niemals stattgefunden, denn diese beiden waren nicht befähigt zu heiraten bzw. es war ihnen nicht erlaubt und die Ehe wird null und nichtig.

 

Den Vertrag betreffend

Es gibt fast ein vollständiges Einvernehmen über die folgenden Bedingungen in Bezug auf die Durchführung des Ehevertrages:

  • Der Antrag und die Annahme müssen in einer Sitzung erfolgen. Dies bedeutet im Allgemeinen, dass die Antwort sofort erfolgen muss. Was genau als eine „Sitzung“ verstanden wird, hängt von den Sitten und damit verbundenen Faktoren ab.
  • Die Annahme muss sich auf den Antrag beziehen. Wenn der Vormund sasgt: „Ich verheirate dich mit Khadijah“, würde die Antwort „Ich nehme Fatimah zu meiner Frau“ keinen gültigen Vertrag darstellen. Eine Ausnahme ist, wenn der Wali eine bestimmte Höhe der Mitgift nennt und der Bräutigam mit einer höheren Summe antwortet. Es wird nicht als Grund für eine Auseinandersetzung angesehen, da angenommen wir, dass eine höhere Mitgift zulässig ist.
  • Der Wali kann den Antrag nicht anfechten. Anders als bei Verkaufsabschlüssen, kann keine der Parteien „Ich habe meine Meinung geändert“ sagen, wenn sie einmal den Antrag/die Annahme geäußert haben. Es ist sofort bindend. Während eines Verkaufs haben beide immer noch die Möglichkeit ihre Meinung zu ändern, bis die „Sitzung“ vorbei ist und sie sich trennen.
  • Die Ehe muss sofort gültig sein. Wenn der Wali sagt „Ich verheirate dich mit ihr nach einem Monat“, gibt es keine Ehe und die beiden bleiben unverheiratet.

Beachte, dass der Brauch dreimal „Ich nehme an“ zu sagen, welcher in einigen muslimischen Kulturen üblich ist, keine rechtmäßige Bedeutsamkeit hat. Sobald eine Person „ich nehme an“ einmal gesagt hat, ist alles, was danach kommt bedeutungslos – egal ob es positiv, oder negativ ist.

 

Vereinbarungen dem Ehevertrag hinzufügen

Dies ist der Fall, wenn eine Partei aus bestimmten Gründen oder zu einem bestimmten Zweck eine Bedingung nennt, welche für die andere Partei bindend wird. Der Antrag/die Annahme sind durch die Erwähnung an diese Bedingung gebunden. Es gibt unterschiedliche Meinungen unter den Gelehrten, was die Gültigkeit solcher Bedingungen betrifft.

Es gibt zwei Arten von Vertragsbedingungen: 1) jene, welche unmittelbar durch die Scharia angeordnet sind und 2) jene, welche von einer oder beiden Parteien aufgestellt werden. Wenn ein Vertrag geschlossen wird, wird die erste Art von Bedingungen automatisch mit abgedeckt, auch wenn sie nicht im Vertrag genannt werden.

 

Vereinbarte Bedingungen, welche auf dem beruhen, was gebräuchlich ist

Es ist ein allgemeines Prinzip in der Fiqh, dass Bräuche den Status eines Gesetzes annehmen können. Es wird davon ausgegangen, dass Leute sich in einer bestimmten Art und Weise verhalten. Da davon ausgegangen wird, hat eine Partei das Recht, dies von der anderen Partei zu erfragen, auch wenn dies nicht im Vertrag steht. Auf dem Gebiet der Ehe gibt es einige Vereinbarungen, welche als Bräuche bekannt sind. Sie müssen nicht im Vertrag festgehalten werden, damit sie als verbindlich angesehen werden. Es gibt jedoch einige strenge Bedingungen, welche erfüllt werden müssen, bevor eine gebräuchliche Handlung als gleichwertig gegenüber einer rechtmäßigen Vereinbarung angesehen wird. Diese Bedingungen sind folgende:

  • Die gebräuchliche Handlung darf nichts dem widersprechen oder bestreiten, was ausdrücklich in der Scharia festgesetzt wurde. Zum Beispiel ist es in einigen Teilen der Welt Brauch, dass die Frau eine Mitgift an den Mann zahlt. In anderen Teilen der Welt ist es Brauch, zwei- oder dreimal so viel Essen vorzubereiten, wie die Gäste  bei einer Walima (Hochzeitsfeier) jemals essen könnten. Keine der Parteien hat das Recht, die Erfüllung solcher Bräuche von dem anderen zu fordern.
  • Die gebräuchliche Handlung muss gewöhnlich, bekannt und universell sein und nicht etwas, was nur von einigen Teilen der Bevölkerung praktiziert wird.
  • Der Brauch musste existieren und bekannt sein, bevor der Ehevertrag durchgeführt wurde.

 

Andere Bedingungen, die von den beiden Parteien festgesetzt werden

Jede Bedingung, die den Hauptzielen und Anliegen des Ehevertrags selbst widersprechen, beeinträchtigen oder aufheben, wird zurückgewiesen und hat, selbst wenn sie genannt wurde, keine rechtlichen Folgen. Zum Beispiel sind Bedingungen, die besagen, dass die Frau keine Mitgift erhalten wird, oder dass er sie nicht unterhalten muss, oder dass sie die Ehe nicht vollziehen, null und nichtig und haben kein Folgen welcher Art auch immer.

Solche Bedingungen müssen vor dem Antrag/der Annahme vereinbart werden. Selbst jene Gelehrten, welche solche Vereinbarungen akzeptieren, nehmen sie nicht an, wenn sie erst nach dem Antrag/der Annahme vereinbart werden.

 

Vernünftige und zulässige Vereinbarungen

Es gibt zwei Arten vernünftiger und zulässiger Vereinbarungen:

  • Jene, welche im Vertrag enthalten sind, auch wenn sie nicht genannt wurden. Dies umfasst sowohl Bedingungen, die aus der Scharia bekannt sind, als auch jene, welche als Bräuche bekannt sind, wie bereits erörtert. Der Prophet (Frieden und Segen seien auf ihm) sagte:

"Ahaqqu maa aufaitum min ash-shuruti maa istahlaltum bihi al-furuj."

„Die Bedingungen, bei denen die größte Pflicht besteht, sie zu erfüllen sie jene durch die ihr die eheliche Beziehung rechtmäßig gemacht habt.“ [Bukhari & Muslim]

Viele Gelehrten verstehen den Hadith so, dass er sich nur auf jene Arten von Bedingungen bezieht, welche in erster Linie durch die Scharia abgedeckt werden. Das ist die Ansicht der Shafi'i Schule. Sie erlauben es nicht, zusätzliche Vereinbarungen dem Ehevertrag hinzuzufügen.

  • Jene Bedingungen, welche nicht durch die grundlegende Beschaffenheit des Vertrags abgedeckt sind, aber welche von den vertragsschließenden Parteien vereinbart wurden. Dies sind jene Vereinbarungen, welche nicht den allgemeinen Zielen des Vertrags widersprechen, niemandem Schaden zufügen und die sich auf Dinge beziehen, die zulässig und innerhalb des Rechts der Person, die zustimmt, sind – das ist etwas, was nicht gegen die Scharia ist. Sie werden am Anfang festgelegt um jeglichen Konflikt oder jegliche Härte in der Zukunft zu vermeiden.

 

Im Allgemeinen müssen Muslime ihre Vereinbarungen erfüllen

Allgemein gesprochen, müssen sich Muslime jeder Vereinbarung fügen, die sie getroffen haben. Allah sagt über die Gläubigen:

„…Es sind diejenigen, die ihr Versprechen einhalten, wenn sie es gegeben haben…“ [der edle Quran 2:177]

„O ihr, die ihr glaubt, erfüllt die Verträge…“ [der edle Quran 5:1]

Der Prophet (Frieden und Segen seien auf ihm) sagte:

„Muslime sind durch ihre Vereinbarungen gebunden.“ [Abu Dawud & Al-Haik – Sahih]

Zurzeit von 'Umar ibn Al-Khattab heiratete ein Mann eine Frau unter der Bedingung, dass sie nicht aus seinem Haus ausziehen muss. Es kam die Zeit, als er wollte, dass sie umzieht. Sie trugen ihre Auseinandersetzung bei 'Umar vor und er sagte: „Sie hat das Recht auf ihre Vereinbarung.“ Der Mann sagte: „In diesem Fall wird es ganz sicher zu einer Beendigung der Ehe führen.“ Er sagte: „Die Rechte sind aufgrund der Vereinbarungen aufgehoben.“ Dies war die Ansicht vieler Gefährten, Nachfolger und Gelehrter, darunter Sa'ad ibn Abi Waqqas, Mu'awiyah, 'Amr ibn Al-'Aas, Shuraih, 'Umar ibn 'Abdul 'Aziz, Tawus, Al-Awza'i und Is'haq.

Es gibt eine weitere Meinung, die besagt, dass externe Vereinbarungen – jene, welche nicht durch die Beschaffenheit des Vertrags selbst abgedeckt sind – keine Bedeutung haben und nicht erfüllt werden müssen. Diese Meinung vertraten Abu Hanifa, Ash-Shafi'i, Malik, Az-Zuhri, Qatada, Al-Laith, Ath-Thauri, Ibn Al-Mundhir und wurde von Ali überliefert.

 

Die Beweise derjenigen, die sagen, dass solche Vereinbarungen weder bindend noch gültig sind

„Jede Vereinbarung, welche nicht im Buche Allahs steht, ist nichtig, selbst wenn es einhundert Vereinbarungen gibt.“ [Muslim & Bukhari]

Sie zitieren auch folgende Fortsetzung des Hadiths, welcher vorher über Vereinbarungen genannt wurde:

„Muslime sind durch ihre Vereinbarungen gebunden, außer bei einer Vereinbarung, welche das Rechtswidrige rechtsmäßig macht, oder  das Rechtsmäßige rechtswidrig macht.“

Diese Version des Hadiths mit dem zusätzlichen Satz ist jedoch schwach und kann nicht als Beweis genutzt werden. Was den vorher genannten Hadith betrifft („Die Bedingungen, bei denen die größte Pflicht besteht, sie zu erfüllen sie jene durch die ihr die eheliche Beziehung rechtmäßig gemacht habt.“), so behaupten sie, dass es nur auf Bedingungen zutrifft, welche wesentliche Teile der Beschaffenheit des Vertrags selbst darstellen.

 

Antwort auf diese Argumente

Die Gelehrten, die solche Vereinbarungen im Ehevertrag erlauben, haben auf oben genannte Argumente geantwortet. Was den Hadith betrifft „Jede Vereinbarung, welche nicht im Buche Allahs steht…“, sagen sie, dass es erlaubt ist, dass der Wali einer Frau einige Bedingungen zu ihrem Vorteil aufstellen kann und es sich nicht gegen das Buch Allahs richtet.

In der Tat missachten solche Bedingungen nicht das Buch Allahs und sie machen nichts Verbotenes zulässig, usw. Sie geben lediglich der Frau das Recht, die Ehe zu annullieren, wenn die Bedingung nicht erfüllt wurde.

Außerdem hat der Hadith „Die Bedingungen, bei denen die größte Pflicht besteht, sie zu erfüllen…“ keine richtige Bedeutung, wenn man sagt, dass es nur auf Bedingungen zutrifft, welche sowieso bereits in Kraft aufgrund der Beschaffenheit des Vertrags sind.

 

Der Knackpunkt dieser Meinungsverschiedenheit

Die Diskussion lässt ich auf das Verständnis der beiden scheinbar widersprüchlichen Ahadith reduzieren:

„Jede Vereinbarung, welche nicht im Buche Allahs steht, ist nichtig, selbst wenn es einhundert Vereinbarungen gibt.“ [Muslim & Bukhari]

„Die Bedingungen, bei denen die größte Pflicht besteht, sie zu erfüllen sie jene durch die ihr die eheliche Beziehung rechtmäßig gemacht habt.“ [Bukhari & Muslim]

Im zweiten Hadith scheint zusammen mit der Fatwa von Umar, welcher vorher genannt wurde, deutlich zu sein, dass es Raum im Ehevertrag gibt, um Vereinbarungen hinzuzufügen. Es scheint auch im zweiten Hadith deutlich zu sein, dass es Grenzen dahingehend gibt, was vereinbart werden kann. Es sind vor allem jene Vereinbarungen, die nicht erlaubt sind, die gegen die grundlegenden Ziele und Prinzipien des Ehevertrags sind und wenn diese genannt werden, sind sie null und nichtig. So bleibt das einzige bestehende Problem darin, genau zu verstehen, wie dieses Prinzip in praktischen Situationen Anwendung findet.

Für jene Gelehrten, die solche externen Vereinbarungen nicht akzeptieren, haben sie keinen Einfluss, sind nicht bindend und wirken sich nicht auf die Gültigkeit des eigentlichen Vertrags aus. Für jene, die sie akzeptieren, geben sie der Frau das Recht, die Heirat auf ihren Antrag hin zu annullieren, wenn die Vereinbarungen missachtet werden. Wir erwähnen nur die Frau, da der Mann sich jeder Zeit scheiden kann, mit oder ohne einen bestimmten Grund und braucht daher so eine Möglichkeit nicht. Beachte, dass selbst in der Fatwa von Umar er nicht den Mann aufforderte, die Bedingung zu erfüllen, sondern er erlaubte ihr vielmehr, die Ehe zu beenden, wenn sie so darauf besteht.

 

Bedingungen, über die Einigkeit herrscht, dass sie ungültig sind

Selbst jene, welche solche Vereinbarungen erlauben, stimmen alle darin überein, dass bestimmte Bedingungen nicht erlaubt sind. Darunter sind folgende:

  • Nikah Ash-Shighaar. Dies ist, wenn die zwei Brautgaben gestohlen und „ausgetauscht“ werden. Ein Mann verheiratet zum Beispiel seinen Sohn mit der Tochter eines anderen und zwar im „Austausch“, dass der andere seine Tochter mit dem Sohn des ersten Mannes verheiratet. Keine der Frauen bekommt ihre Brautgabe.
  • Nikah Al-Mut'a. Jegliche Art von Ehe, für die eine zeitliche Begrenzung vereinbart wurde.
  • Nikah At-Tahlil. Eine Frau, die dreimal geschieden wurde und zu ihrem ersten Mann zurückkehren möchte, heiratet einen Mann unter der Bedingung, dass er sich wieder von ihr scheidet. Wenn dies entdeckt wird oder dies ihre Absicht war, wird der erste Mann immer noch nicht rechtmäßig für sie, trotz dieser Ehe.

 

Zweitens: Bedingungen für die Unversehrtheit des Ehevertrags

Es gibt zehn Bedingungen (Shurut) in dieser Kategorie. Über einige sind sich praktisch alle Gelehrten einig, über andere gibt es Meinungsverschiedenheiten.

  • Die Frau ist dem Mann erlaubt.

Das heißt, dass sie nicht eine von jenen Frauen ist, die für ihn verboten sind, aufgrund von Verwandtschaft, Stillen oder einer anderen bestehenden Ehe, welcher einer weiteren Eheschließung widerspricht. Einige betrachten dies als eine der Arkan (Säulen) oder eine der Bedingungen, um den Vertrag zu veranlassen. In jedem Fall muss diese Bedingung erfüllt werden.

  • Der Antrag und die Annahme müssen dauerhaft sein und nicht zeitlich begrenzt.

Alle Formen einer zeitlich begrenzten Ehe sind im Islam verboten. Wenn irgendetwas beim Antrag auf eine zeitliche Begrenzung hindeutet, ist die Eheschließung nicht gültig.

  • Zwei Zeugen ohne schlechten Ruf.

Es gibt einige Meinungsverschiedenheiten über dieses Thema, aber nach endgültiger Überprüfung ist der Hadith deutlich.

Ibn Taimiyyah hat vier bestehende Meinungen zu diesem Thema genannt:

  1. Die Ehe muss bekannt gegeben und bekannt gemacht werden, unabhängig davon, ob der Vertrag bezeugt wurde, oder nicht. Dies war die Meinung von Malik, sowie den Hadith Gelehrten, den Dhahiris und eine Meinung wurde von Ahmad berichtet.
  2. Es ist verpflichtend Zeugen zu haben, unabhängig davon, ob der Ehevertrag öffentlich gemacht wurde, oder nicht. Dies war die Ansicht von Abu Hanifah, Ash-Shafi'I und eine andere Meinung wurde von Ahmad berichtet.
  3. Beide Zeugen und eine öffentliche Bekanntgabe sind nötig. Das ist eine dritte Erzählung von Ahmad.
  4. Eines von beiden ist nötig. Dies ist eine vierte Erzählung von Ahmad.

Ibn Taimiyyah selbst war der Meinung, dass die zweite Meinung (nur die Zeugen sind notwendig) schwach ist. Er behauptete, dass es keine authentische Quelle dafür gab und es nicht weithin bekannt unter den Muslimen war. Stattdessen ist eine öffentliche Verkündung erforderlich, die die Leute wissen lässt, dass die beiden Parteien geheiratet haben. Er sagt, dass wenn eine Eheschließung ohne Zeugen und ohne öffentliche Bekanntgabe stattfindet, sie definitiv ungültig ist, wenn sie mit Zeugen aber ohne Bekanntgabe stattfindet, ist sie fraglich und wenn sie mit beidem stattfindet, ist sie definitiv gültig.

Der Teil von Ibn Taymiyahs Meinung, dass die Zeugen KEINE Pflicht sind, muss zurückgewiesen werden, denn der Hadith über dieses Thema wurde als Sahih erklärt:

„Keine Eheschließung ohne einen Vormund und zwei Zeugen ohne schlechten Ruf.“

Die Schlussfolgerung ist also hier, dass BEIDES, die Zeugen UND eine öffentliche Bekanntgabe erforderlich sind. In der Tat besagt die Maliki Schule bezüglich der öffentlichen Bekanntgabe, dass wenn die Parteien von den Zeugen verlangen, die Ehe geheim zu halten, die Ehe nicht gültig ist und die beiden getrennt werden müssen – DAUERHAFT! Die Hanbali Schule ist der Meinung, dass so eine Eheschließung nicht ungültig ist, aber dass es unerwünscht ist, so vorzugehen. Die Zeugen müssen zwei erwachsene Männer sein, die bei gesundem Verstand sind, und deren Bezeugung nicht kürzlich angezweifelt wurde.

  • Beide Parteien des Vertrags und die Braut haben der Ehe aus freien Stücken zugestimmt.

Die Hanafis sagen, dass dies keine Bedingung ist, aber deren Position ist nicht annehmbar und wird zurückgewiesen, da es reichliche Beweise aus Quran und Sunna gibt, die das Gegenteil behaupten. In der Jahiliya haben die Araber die Frauen ihrer Brüder „geerbt“ (d.h. sie zur Heirat gezwungen), wenn diese gestorben sind. Allah hat dies verboten, indem er sagt:

„O ihr, die ihr glaubt, euch ist nicht erlaubt, Frauen gegen ihren Willen zu beerben…“ [der edle Quran 4:19]

Es gibt zu diesem Thema auch zwei gesunde und sehr deutliche Ahadith:

„Eine zuvor verheiratete Frau darf nicht verheiratet werden, bis sie dies selbst zulässt und eine Jungfrau darf erst verheiratet werden, wenn sie zuvor nach ihrer Einwilligung gefragt wurde. Einige Leute fragten: O Gesandter Allahs, wie sieht dann ihre Einwilligung aus? Er (Frieden und Segen seien auf ihm) sagte: Indem sie schweigt! [Bukhari & Muslim]

"'An ibn 'Abbasin anna jaariyatan bikran atat an-nabiyya (Frieden und Segen seien auf ihm) fa dhakarat lahu anna abaha zawwajaha wa hiya kariyatun fa khayyaraha an-nabiyyu (Frieden und Segen seien auf ihm)"

Von ibn 'Abbas wurde berichtet, das seine Jungfrau zum Propheten (Frieden und Segen seien auf ihm) kam und ihm erzählte, dass ihr Vater sie gegen ihren Willen verheiratet hatte. Der Prophet (Frieden und Segen seien auf ihm) gab ihr die Wahl.  [Abu Dawud und andere – Sahih]

Viele frühere Gelehrte erlaubten dies in einem Fall: ein Vater oder Großvater, der ein Mädchen vor ihrer Pubertät ohne ihre Einwilligung verheiratet. Laut ihnen hat sie nicht das Recht diese Ehe zu verweigern, bis sie erwachsen wird. Diese Meinung ist natürlich nicht annehmbar und wird zurückgewiesen, aufgrund des oben genannten Verses und der Ahadith.

  • Die Braut und der Bräutigam sind ausdrücklich bekannt.
  • Keine der beiden Vertragsparteien befindet sich im Ihram Zustand.
  • Die Ehe muss mit einer Mitgift (Mahr) stattfinden.

Sie muss nicht genau aufgeführt werden und auch nicht übergeben werden, aber sie muss da sein. Zu diesem Thema folgt später mehr.

  • Die Parteien und die Zeugen sind nicht daran gebunden, es geheim zu halten.

Es ist nicht erlaubt, zu versuchen die Ehe geheim zu halten. Der allgemeine Brauch der Araber vor dem Islam war es, dass Eheschließungen ganz öffentlich stattfanden und alle darüber Bescheid wussten. Der Islam bestätigt diese Praxis und es ist der einzig akzeptable Weg zu heiraten. Wie wir gesehen haben, nimmt die Maliki Schule diese Angelegenheit so ernst, dass sie die zwei Parteien dauerhaft trennt. Einige Gelehrte sagten, dass es eine falsche Praxis war, aber dass es  nicht zwangsläufig die Ehe ungültig macht.

  • Keine der Parteien liegt im Sterben.

Die „Parteien“ die hier gemeint sind, sind die Braut und der Bräutigam. Dies ist wegen einer möglichen Schädigung der Erben, da eine andere Person den Ansprung auf die Erbschaft erhält.

  • Die Anwesenheit des Vormunds oder des Vertreters (Wali) der Frau.

Der Wali ist ein Muslim, der damit beauftragt ist, diejenige, die unter seiner Verantwortung ist, mit einem Mann zu verheiraten, der gut für sie ist. Es besteht keine Uneinigkeit darüber, dass der erste Wali ihr leiblicher Vater ist, wenn er Muslim ist, und der letzte in der Reihe der Machthaber ist. Es gibt Meinungsverschiedenheiten über die Reihenfolge zwischen den beiden, aber es herrscht Einigkeit darüber, dass er von den Verwandten des Mädchens väterlicherseits sein sollte – keiner der Verwandten mütterlicherseits kommt in Frage. Die Reihenfolge laut vielen Gelehrten ist: Vater, Großvater väterlicherseits, Sohn, Enkel, leiblicher Bruder, Halbbruder väterlicherseits, Onkel väterlicherseits. Der Wali ist eine absolute Voraussetzung für die Eheschließung und jede Ehe, die ohne einen Wali geschlossen wurde, ist null und nichtig, aufgrund des folgenden Hadith:

"Laa Nikaha illa bi waliyyin wa as-sultanu waliyyu man laa waliyya lahaa."

„(Es kommt) keine Eheschließung (zustande) ohne einen Vormund und der Machthaber ist ihr Vormund, wenn sie keinen Vormund hat.“ [Abu Dawud und andere – Sahih]

Die Ehe jedweder Frau, die ohne Erlaubnis ihres Vormunds ehelicht, ist ungültig, ungültig, ungültig!“ [Abu Dawud  und andere – Sahih]

Es ist die Aufgabe des Walis, sie mit dem bestmöglichsten Ehemann zu verheiraten. Er sollte sich nicht von seinen oder ihren Wünschen leiten lassen. Wenn eine Person in seiner Religion und seinem Charakter annehmbar ist und er zu ihr in einer Weise passt, wie die Gelehrten erörtert haben, dann muss er die Eheschließung leicht machen und sie nicht ablehnen, aufgrund seiner eigenen Wünsche und Neigungen. Wenn die Bedingungen nicht gut sind, muss er die Eheschließung ablehnen, auch wenn beide, die Frau unter seiner Verantwortung und der Mann, diese wünschen. Das ist ein erhebliches Vertrauen und er muss sein bestes tun, es richtig zu erfüllen und der Frau und/oder der Gesellschaft keinen Schaden zuzufügen. Allah sagt:

„O ihr, die ihr glaubt, handelt nicht untreu gegenüber Allah und dem Gesandten, noch seid wissentlich untreu in eurer Treuhandschaft.“ [der edle Quran 8:27]

Was ist, wenn der Wali jemanden in unislamischer Weise zurückweist? Wie wir vorher erklärt haben, ist es die Aufgabe des Wali, im besten Interesse der Frau zu handeln, nach dem Vorbild des Islams. Wenn eine geeignete Person sie heiraten möchte und er lehnt ihn ab, dann verrichtet er nicht seine Aufgabe. In so einem Fall kann die Frau sich bei einem Richter oder bei dem Machthaber beschweren und ihren Wali „feuern“ (entfernen) lassen. Die Gelehrten sind unterschiedlicher Meinung darüber, wer ihr neuer Wali wird, der nächste männliche Verwandte oder der Machthaber.

Der Wali muss derselben Religion, wie der Frau angehören. Ein nicht-muslimischer Vater kann nicht der Wali seiner muslimischen Tochter sein.

 

Eine zurückgewiesene Meinung der Hanafi Schule

In der Hanafi Denkschule gibt es die Meinung, dass der Wali keine Bedingung für die Gültigkeit der Ehe ist. Sie behauptet sogar, dass sie ein Argument von Aischa haben, die folgenden Hadith erzählte:

„(Es kommt) keine Eheschließung (zustande) ohne einen Vormund und der Machthaber ist der Vormund, wenn sie keinen Vormund hat.“ [Abu Dawud und andere – Sahih]

Sie sagen: „Aischa verheiratete die Tochter ihres Bruders, Hafsa bint 'Abdul Rahman als 'Abdul Rahman nach Sham gegangen war. Als 'Abdul Rahman zurückkehrte, war er traurig, aber er wollte nicht rückgängig machen, was Aisha getan hatte und so ließ er seine Tochter bei ihrem Bräutigam Al-Mundhir ibn Az-Zuhair.“

Andere Gelehrte haben auf ihr Argument geantwortet: Aus anderen Überlieferungen zu diesem Vorfall wird deutlich, dass Aischa nur die Vereinbarung arrangierte, aber dass sie die Ehe nicht schloss. Außerdem war es Aischa selbst, die sagte „Frauen können keine Ehen schließen.“ In diesem Sinne hat sie dem nicht selbst widersprochen, was sie vom Propheten (Frieden und Segen seien auf ihm) berichtete.

 

Ernsthaftigkeit ist KEINE Bedingung für die Unversehrtheit des Ehevertrags

Beachte, dass eine Ehe nicht zum Lachen ist, sondern sehr ernst zunehmend ist. Daher lassen die bloßen Worte die Eheschließung geschehen und eine Absicht ist nicht nötig. Außerdem gibt es, wie wir gesehen haben, kein Khiyaar al-majlis (die Möglichkeit zurückzutreten, bevor sie Sitzung beendet ist und die Parteien trennen sich), wie es bei Kaufverhandlungen oder anderen Verträgen gibt. Der Prophet (Frieden und Segen seien auf ihm) sagte:

“Drei Dinge sind es, welche beträchtlich sind, wenn die Situation ernst und welche beträchtlich sind, wenn die Situation vergeblich ist: Heirat, Scheidung und Rückkehr (zu seiner Frau nach einer Scheidung).“ [Ahmad und andere – Sahih]

 

Drittens: Bedingungen für die Ausführung des Ehevertrags

  • Die Braut und der Bräutigam müssen rechtmäßig in der Lage für eine Ehe sein, das heißt, sie sind bei gesundem Verstand, bei Bewusstsein und haben das Alter der Pubertät erreicht, etc. Der Vertrag kann früher stattfinden, aber sie müssen mit der Vollziehung bis zu der Zeit warten, bis sie tatsächlich die eheliche Beziehung eingehen können.
  • Der Wali, der die Ehe durchführte, sollte kein distanzierter Wali sein, wenn einer näherer Verwandter am Leben und erreichbar gewesen wäre. Wenn zum Beispiel der Onkel einer Frau sie mit jemanden verheiratet, würde die Ehe nicht gültig sein, ohne dass und bis die Einwilligung ihres Vaters bestätigt wurde. In so einem Fall kann der Vertrag ausgeführt werden.

 

Viertens: Bedingungen welche für den Ehevertrag verbindlich sind

Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, hat keine der Parteien das Recht die Ehe zu annullieren.

  • Wenn die Ehe einer minderjährigen oder geisteskranken Person durch den Vater oder den Großvater geschlossen wurde, dann hat der Vater oder der Großvater das Recht, sie zu annullieren.
  • Der Ehemann muss sozial fähig und geeignet für die Frau sein.
  • Die Mitgift ist mindestens gleichwertig mit denen, die ihr ähnlich sind.
  • Keiner der Ehepartner hat einen Mangel. In diese Kategorie fällt auch der Fall, bei dem eine Frau angiebt, Jungfrau zu sein, jedoch später das Gegenteil festgestellt wird oder bei dem einer der beiden Ehepartner nicht körperlich in der Lage für eine eheliche Beziehung ist.

Wenn eine der Bedingungen nach der Heirat nicht erfüllt wird, haben beide Parteien (Braut und Bräutigam) das Recht, die Ehe zu annullieren. Die Angelegenheit würde einem Richter oder jemanden der die Autorität dafür besitzt vorgetragen werden. Jedoch ist es ein Recht, oder eine Möglichkeit. Wenn die Parteien einmal der Ehe mit vorhandenen Defiziten akzeptieren, dann sind sie an diese Ehe gebunden.

 

Auswirkungen der verschiedenen Bedingungen auf den Ehevertrag

Darauf beruhend welche der oben genannten Bedingungen erfüllt werden und welche nicht, gibt es unter den verschiedenen Fiqh Schulen verschiedene Meinungen hinsichtlich der Gültigkeit und der rechtliche Auswirkung des Ehevertrags. In der Hanafi Schule kann der Vertrag in eine von fünf Kategorien fallen: fehlerfrei und verbindlich, fehlerfrei und nicht verbindlich, aufgeschoben, fehlerhaft und nichtig. Für die Mehrheit der anderen Gelehrten fällt der Ehevertrag in eine von drei Kategorien: fehlerfrei und verbindlich, fehlerfrei und nicht verbindlich oder nichtig.

Die folgende Tabelle beschreibt die Auswirkungen der Nichterfüllung bestimmter Bedingungen auf die rechtliche Auswirkung oder den Abschluss in Bezug auf den Vertrag selbst:

 

Auswirkungen auf den Ehevertrag aufgrund des Nichterfüllens von Bedingungen

  • Der Vertrag erfüllt die Arkan (Säulen) nicht

Der Vertrag ist null und nichtig. Dies ist eigentlich ein strittiger Punkt, denn in Wirklichkeit gab es keinen Vertrag, wenn wesentliche Bestandteile fehlen.

  • Der Vertrag erfüllt die Bedingungen für seine Veranlassung nicht

Der Vertrag ist absolut nichtig.

  • Der Vertrag erfüllt die Bedingungen für seine Unversehrtheit nicht

Hanifal Schule: der Vertrag ist „fehlerhaft“ und hat daher einige rechtliche Auswirkungen.

Andere: Der Vertrag ist Null und nichtig.

  • Der Vertrag erfüllt die Bedingungen für seine Ausführung nicht

In der Hanafi und Maliki Fiqh wird so ein Vertrag als „aufgeschoben“ angesehen oder es wird gewartet, bis die Bedingungen erfüllt werden.

  • Der Vertrag erfüllt die verbindlichen Bedingungen nicht

Der Vertrag ist fehlerfrei, aber nicht verbindlich. Die betroffene Partei hat das Recht den Vertrag zu annullieren.

  • Der Vertrag erfüllt alle notwendigen Bedingungen

Der Vertrag ist fehlerfrei und verbindlich.

 

Standesamtliche Eheschließungen in Ländern, wo die Scharia nicht angewendet wird

Im Lichte dessen, was diskutiert wurde, stellt sich für Muslime, die in Ländern leben, wo die Scharia nicht das Gesetz des Landes ist, eine sehr wichtige Frage. Für Muslime, die in solchen Situationen unter der „Schutzherrschaft“ von solchen Regierungen heiraten, ist es oft mit ernsten Mängeln verbunden, was einerseits die Ausführung und andererseits die rechtlichen Auswirkungen auf den nicht-islamischen Ehevertrag betrifft. Zum Beispiel:

  • Es gibt keinen richtigen Wali. In vielen säkularen Gesetzen muss die Frau keinen Wali haben, oder derjenige, der ernannt wird, ist nicht rechtmäßig in der Scharia.
  • Das säkulare Gesetz verlangt keine zwei Zeugen.
  • Zeugen werden verlangt, aber sie nicht geeignet, wie beispielsweise nicht-muslimische Zeugen.
  • Die Ehe stellt verschiedene Eigentumsrechte, Erbrechte etc. auf, entweder während oder nach der Hochzeit, für welche Allah nicht das Recht gegeben hat. (Den Schaden solcher Dinge zu vermeiden, wenn man in einer nicht-muslimischer Gesellschaft lebt ist ein sehr großes Thema und umfasst viele Dinge außer der Ehe.)
  • Die standesamtliche Trauung kann weitere Trauungen des Ehemannes nach sich ziehen, welches als Straftat angesehen wird und mit einer Freiheitsstrafe bestraft wird.

 

Wegen diesen oder anderen Punkten ist ein säkularer Ehevertrag nicht ausreichend, damit zwei Muslime als islamisch verheiratet gelten. In der Tat sollte dies vermieden werden. In jedem Fall ist es die islamische Eheschließung mit seinen Voraussetzungen und Bedingungen, bei welcher die beiden vor Allah verheiratet sind. Ob oder ob nicht eine standesamtliche Trauung trotzdem vorgenommen werden sollte, muss abgewägt werden um zu sehen, ob es eher schadet oder nützt.

In Bezug auf diese „Eheschließungen“ sollten die folgenden wichtigen Punkte beachtet werden:

  • Wenn so eine Ehe von Nicht-Muslimen eingegangen wurde, die später Muslime wurden, so werden sie als verheiratet angesehen und sie brauchen keinen weiteren Ehevertrag welcher Art auch immer.
  • Wenn sie Muslime waren, aber aufgrund großer Unwissenheit säkular geheiratet haben, wäre es das Beste für sie, noch einmal zu heiraten. Die erste Eheschließung kann jedoch als gültig angesehen werden und die Kinder, die daraus entstanden sind, sind die Kinder von beiden aus islamischer Sicht.
  • Wenn zwei Muslime auf so einer Art und Weise wissentlich heiraten, zum Beispiel um die Einwände des Walis zu umgehen, dann ist die Heirat null und nichtig und sie begehen Ehebruch.

 

Wiederholungsfragen

  1. Was wäre das Urteil in folgendem Fall: Ein Mann und eine Frau sind seit zehn Jahren verheiratet und entdecken dann, dass sie von derselben Frau gestillt wurden.
  2. Was ist das Urteil bezüglich eines Ehevertrags, wo die Frau keinen Wali hatte? Was hat der Prophet über so eine Ehe gesagt? (2 Ahadith)
  3. Erörtere die verschiedenen Meinungen bezüglich dessen, ob es erlaubt ist, Vereinbarungen dem Ehevertrag hinzuzufügen. Für jene, die es erlauben, was genau ist ihre Auswirkung und welche Bedingungen sind erlaubt? Welche sind nicht erlaubt?
  4. Definiere die folgenden wichtigen Fiqh Begriffe: Rukn, Shart, Sahih, Fasid und Batil.
  5. Ist es notwendig Zeugen bei einem Ehevertrag zu haben? Welche sind die unterschiedlichen Meinungen zu diesem Thema und was ist der endgültige Beweis aus der Sunna?
  6. Was wäre das Urteil in folgendem Fall: Ein Mann behauptet, dass der Ehevertrag, den er gerade eingegangen ist, nicht gültig sei, da er nur Spaß gemacht hat?

 

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