Ok - hier mal ein paar generelle Informationen wie man die Wissenschaft, vor allem im Bezug zum Islam, zu sehen hat:
Die Wissenschaft an sich besteht grob aus zwei Komponenten: 1. Daten durch Beobachtungen, 2. deren Interpretation.
Daten entsprechen natürlich der Qualität und Einstellung des entsprechenden Werkzeugs, mit dem sie erhoben wurden, generell sind
empirische, beobachtbare Daten aber eher neutral.
Solche empirische Daten können unter Umständen verwendet werden, um die Wahrhaftigkeit des Islam gegenüber bestimmten Gruppen von Menschen zu argumentieren.
Primär ist der Ruf des Islam zwar ein Ruf zu der
Fitrah - die natürliche Disposition - des Menschen, die vollkommen unabhängig von irgendwelchen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Theorien dazu ruft, einen einzigen Gott anzubeten und Ihm zu dienen - Allāh. Der Islam ist keine elitäre Religion, die nur hochgebildete Wissenschaftler verstehen können, und die Wahrheit erkennen können. Der Islam spricht primär die innewohnenden Neigungen eines jeden Menschen zu der Wahrheit an. Dennoch kann es unter manchen Umständen hilfreich sein, wenn man vorzeigt, dass in den Quellen des Islam Erkenntnisse über Wahrheiten zu finden sind, die erst heute [also in den letzten paar Jahrzehnten oder Jahrhunderten] empirisch nachgewiesen werden konnten. Beispiele sind:
- Die Stufen der Entwicklung des Embryos im Leib der Mutter.
- Der Realität, dass Berge tief in der Erde verwurzelt sind.
- Die Trennwand zwischen süßem und salzigem Wasser.
- Details des Wasserkreislaufs.
Dies sind Beispiele für Realitäten, die nicht viel Interpretation bedürfen. Die modernen, empirisch erhobenen Daten stimmen mit den Beschreibungen des Qur'ān überein [siehe z.B.
hier - Achtung! den Rest meines Textes aber bitte auch lesen, da einige Aspekte im Buch erwähnt werden, gegen die ich was hab], und weder werden sich diese Daten ändern,
noch wird sich deren Interpretation ändern. Wenn man also die entsprechenden qur'ānischen Verse dahingehend inerpretiert, dass sie auf diese Realitäten aufmerksam machen, ist darin kein Übel.
Der andere Teil von Wissenschaft ist der, bei dem die
Interpretation der Daten im Vordergrund steht. Und damit beziehe ich mich im Allgemeinen auf die theoretischen Wissenschaften. Dazu gehört ein Großteil von Astronomie und die "Erkenntnisse" von denen gesprochen wird, die meist versuchen Ereignisse der Vergangenheit zu erklären (Bsp.: BigBang, aber auch Sachen wie Dunkle Materie, Schwarze Löcher, Aspekte bezüglich dem Beginn des Universums, Beziehung der Planten zueinander, z.B. bezogen auf heliozentrisch/geozentrisch, Axis of Evil etc.), viele "Erkenntnisse" der Soziologie und Geschichte, die fast ausschließlich auf Interpretationen basieren, manche Aspekte von Biologie, die sich z.B. auf die Emergenz von Leben etc. beziehen (z.B. Abiogenesis, Aspekte der Evolution etc.) und noch viele andere "Erkenntnisse" mancher Bereiche der Wissenschaft, die aus den Daten versuchen Erkenntnisse zu gewinnen.
Erkenntnisse aus solchen Wissenschaften sollten nicht verwendet werden, um die Wahrhaftigkeit des Islam zu argumentieren, oder den Qur'ān dahingehend auszulegen - und der Grund liegt in der
Philosophie der Wissenschaft.
Für diese Thematik empfehle ich sehr, dass ihr das Buch:
Structure of Scientific Revolutions von Thomas Kuhn lest. Es ist ein recht gutes Einsteiger-Buch, wenn es um die Philosophie der Wissenschaft geht, und eines der eiflussreichsten in dem Gebiet. Wenn ihr lieber ein Video schauen wollt, das sich zum Teil mit dem Thema beschäftigt, könnte ihr das hier
sehen (schaut das gesamte Video, aber vor allem ab 27:45 sagt er ein paar interessante Punkte bezüglich diesem Thema - schaut auch ruhig die Quellen nach die er nennt, er arbeitet auf diesem Gebeit schon sehr lange und weiß wovon er redet), oder dieses wundervolle
Buch von Hamza Andreas Tzortzis bezüglich Atheismus allgemein lesen.
Aspekte von den Büchern sind folgende:
Die wissenschaftliche Methode hat einige inhärente Probleme, die dazu führen, dass manche darauf gewonnenen "Erkenntnisse" nicht als absolute Wahrheiten - als reale Fakten - erachtet werden können.
Beispiel: Das Problem von Induktion.
In der Wissenschaft werden Daten (in Form von Beobachtungen) erhoben und dann interpretiert. Da es aber generell nicht möglich ist alle Daten zu erheben, wird eine Stichprobe von Beobachtungen genommen, und dann mithilfe einer Theorie extrapoliert, um zu Erkenntnissen bezüglich der nächsten Beobachtung, oder aller folgenden Beobachtungen zu kommen.
Beispiel: Ein Wissenschaftler hat sein Leben lang nur weiße Schafe gesehen. Dies führt ihn zu der Erkenntnis, dass nur weiße Schafe existieren. Basierend auf seinen Beobachtungen, sagt er: Es ist ein Fakt, dass jedes Schaf weiß ist. Wenn ihm aber nun ein schwarzes Schaf begegnet, wird er seine Theorie entsprechend anpassen müssen, nämlich dass es sowohl weiße, als auch schwarze Schafe gibt. Das bedeutet, dass der von ihm angenommene "Fakt" in Wahrheit gar kein Fakt ist.
Dies scheint ein sehr banales Beispiel zu sein, aber das Problem ist ein reales Problem - es kann immer sein, dass sich wissenschaftliche Erkenntnisse durch neue Beobachtungen ändern, da wir immer mit einem limitierten Set von Daten arbeiten. Eine Konsequenz davon sind z.B. Paradigmenwechsel.
Beispiel:
Newtonsche Mechanik.
Newtonsche Mechanik wurde als ein "Fakt" behandelt, bevor die Relativitätstheorie "entdeckt" wurde. War das Problem, dass die Netonsche Mechanik nicht "funktioniert" hat? Nein, wir sind mit der Newtonsche Mechanik anscheinend auf dem Mond gekommen, also scheint sie zu einem gewissen Grad zu "funktionieren", und sie hat/und gibt uns auch heute noch sehr viele Erkenntnisse, die heute als wahr gelten. Dennoch haben neue Beobachtungen dazu geführt, dass die Newtonsche Mechanik verworfen wurde - es gab einen Paradigmenwechsel.
Aber wir erkennen: Nur weil eine Sache zu funktionieren scheint, heißt es also nicht, dass sie "wahr" ist. Hätten aber nun in der Zeit gelebt, wo die Newtonsche Mechanik als ein "Fakt" galt, müssten wir, würden wie die Wissenschaft als Maßstab dafür nehmen die islamischen Texte zu interpretieren, entsprechend dieser jetzt verworfenen Theorie, Interpretationen der islamischen Texte erfinden. Heute, wo die Theorie als falsch verworfen ist - was würden wir dann mit diesen Interpretationen machen?
Anderes Beispiel:
Die Ewigkeit des Universums.
Keine paar Jahrhunderte zuvor, wurde es als ein wissenschaftlich "Fakt" akzeptiert, dass das Universum seit Ewigkeiten besteht - es gab keine Theorie des BigBang. Wie hätte man die islamischen Texte zu der Zeit interpretiert? Wer heute, nach der Theorie des BigBang islamische Texte entsprechend interpretiert, begeht denselben Fehler!
Es kann nämlich sein, dass in nicht allzuweiter Zukunft wieder das ewige Universum als "Fakt" zählen wird, oder die Theorie des BigBang verworfen wird, weil neue Beobachtungen dazu führen!
Genau diese, und weiter Paradigmenwechsel, welche das Ergebnis von Interpretation basierend auf unvollständiger Information (und bezüglich der Vergangenhei hat man mit den wissenschaftlichen Methoden immer unvollständige Informationen) werden in dem Buch von Thomas Kuhn angesprochen, und er zeigt, wie die Menschen heute in keiner anderen Situation sind, als wie in der Vergangenheit.
So wie Paradigmenwechsel in der Vergangenheit passiert sind, werden sie auch in Zukunft, mit der Erhebung von mehr Daten, besseren Instrumenten, anderen Theorien etc. wieder geschehen!
Jetzt wird klar: nimmt man diese auf Theorien und hauptsächlich auf Interpretation basierenden wissenschaftlichen Erkenntnisse als "Fakt" wahr, und versucht die islamischen Quellen entsprechend zu bewerten, kommt man in ein Dilemma: Dieser "Fakt" könnte morgen verworfen werden. Wenn man heute nicht in der Lage war diesen "Fakt" in den islamischen Quellen wiederzufinden, sind die islamischen Quellen falsch? Und falls man ihn gefunden hat, aber morgen der "Fakt" sich ändert, sind wiederum die islamischen Quellen falsch? Man kann hier nur verlieren, wenn man sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützt, die Interpretation bedarfen, um die Warhaftigkeit des Islam zu argumentieren!
Das ist der Grund wieso Gelehrte wie Shabir Ally, als auch Zakir Naik [hafidhaullāh], der sich zu Beginn seiner Dawah-Zeit sehr stark auf diese Aspekte konzentriert hatte, dafür kritisiert wurden,
heutige wissenschaftliche Erkenntnisse, die meist nur theoretischer Natur sind, als Beweis für die Wahrhaftigkeit des Islam zu nutzen. Denn wenn sie morgen anders sind, wird der Islam dadurch falsch?
Deshalb ist es wichtig, dass man die qur'ānischen Verse nicht dreht und wendet, um heute akzeptieren wissenschaftlichen Erkenntnissen zu entsprechen, so wie es von dem alten Zakir Naik, Shabir Ally, als auch manch anderen Gelehrten bekannt ist.
Und der Islam hat es auch nicht nötig, dass man ihm diese Interpretationen aufzwingt.
Natürlich ist Wissenschaft ist an sich nicht schlechtes, vielmehr, wie bestimmt schon bewusst ist, sagt Allāh uns, dass wir die Welt beobachten sollen, analysieren sollen, Seine Zeichen erkennen sollen und somit auf Seine Macht, Wissen, Weisheit und Barmherzigkeit schließen sollen. Die entsprechenden Verse im Qur'ān waren die Motivation für die wissenschaftlichen Werke und Anstrengungen der Muslime von der Vergangenheit, bis heute. Wissenschaft ist etwas nützliches, aber man sollte sich bewusst sein, was Wisseschaft kann, und was nicht - zu was Wisseschaft führen kann, und zu was nicht. Was aber Allāh im Qur'ān sagt ist immer korrekt. Wie kann es anders sein?
"Sollte nicht Der, Der erschaffen hat, wissen? Und Er sich aller Feinheiten bewusst, der Allkundige." [Surah al-Mulk 60:14]
Deswegen ist es im Allgemeinen besser sich von denen fernzuhalten, die stets versuchen heutige, die auf verwerfbaren Theorien und Interpretation basierenden wissenschaftlichen Erkenntnisse als Basis für ihre Dawahnutzen, denn sie haben die Philosophie der Wissenschaft nicht verstanden.
Zu deiner letzten Frage weiß ich leider nicht genau auf was du hinaus willst. Imām Ibn Kathīr [rahimahullāh] war ein Gelehrter der im Jahr 1373 gestorben ist, Imām Razi im Jahr 1210, Ibn Hazm in 1064.
Hier ist auch ein Konsens der islamischen Gelehrten von Sheikhul-Islam ibn Taymiyyah [gest. 1328] überliefert, dass die Erde rund ist, mit ein paar Versen aus dem Qur'ān die darauf hinweisen sollen. Sollte dieser Konsens bewiesen sein, sollte ich dich darauf aufmerksam machen, dass im Islam ein Konsens der rechtschaffenen Gelehrten einer Ära ein religiöser Beweis ist, wegen der Aussage des Propheten ﷺ : „Allāh wird meine Ummah nicht auf Falschheit vereinen.“, siehe al-Mustadrak [1/116, Hadīth 399], Sahīh laut Hāfidh Zubayr 'Ali Zai, vgl. al-Hadīth [114/13]. Solch ein Konsens ist von Allāh davor bewahrt falsch zu sein, und gilt als ein Beweis in der Religion.
Und Allāh weiß es am besten.