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Gedanken über unser Menschenbild
#1
Der Gesandte Allahs sprach einmal folgendes Bittgebet: „O Allah! Stärke Deine Religion mit einem der beiden Umar´s.“

Einer dieser beiden Umar´s war Umar ibn al-Khattab. In der Zeit der Dschahiliyya (Unwissenheit), einer Zeit der buchstäblichen „Maßlosigkeit“, war er in Mekka bekannt für seine prinzipientreue und tapfere Haltung. Dieses Ansehen verdankte er nicht seiner Stammeszugehörigkeit – sein Stamm gehörte ohnehin nicht zu den stärksten Stämmen -, sondern seiner starken Persönlichkeit.

Der andere Umar war Amr ibn Hakim und gehörte zum Stamm der Banu Mahzum, dem stärksten Stamm in Mekka. Er trieb internationalen Handel, zählte zu den Erfahrenen und Gebildeten der Gesellschaft und war dermaßen prinzipienfest und konsequent, dass er sein Leben für das gegeben hätte, woran er glaubte. Er hatte die Eigenschaft, den von ihm für richtig erachteten Weg zu Ende zu gehen.

Der Gesandte Allahs bat Allah um einen dieser beiden Umar´s.

Sein Wunsch zeigt uns das Bild, das er sich vom Menschen machte. In seiner Vorstellung vom Menschen hatten die Menschen – ähnlich den Erzen – unterschiedliche Werte. Diese Werte betrafen nicht die nachträglich erworbenen Eigenschaften und Werturteile, die gewissermaßen den Überbau des Menschen bilden, sondern sie betrafen die ihm eigenen, von Natur aus gegebenen Eigenschaften, die gewissermaßen den Unterbau des Menschen bilden.

„Die Menschen sind wie Erze. Diejenigen, die in der Dschahiliyya bestimmte Eigenschaften besaßen, haben auch im Islam diese Eigenschaften.“
An dieser Stelle sollten wir nicht im Dilemma „adlig oder erzogen“ stecken bleiben. Es ist richtig: Die Menschen sind wie Erze. Nehmen wir einmal an, jemand hat als Erz die „Kohle“. Dies heißt aber nicht, dass er kein Diamant werden könnte. Im Gegenteil: Jeder Diamant ist am Anfang Kohle (Carbon), und unter hohem Druck verwandelt er sich zum Diamanten. Jemand, dessen Erz die „Kohle“ ist, wird zu einem Diamanten, wenn er hohem Druck ausgesetzt wird, sprich: wenn er durch schwere Prüfungen geht. Aber zurück zu unserem Thema.

„Diejenigen, die in der Dschahiliyya bestimmte Eigenschaften besaßen, haben auch im Islam diese Eigenschaften.“

Ausgehend von diesem Menschenbild konnte der Gesandte Allahs um „einen der beiden Umar´s“ bitten, denn Würdigkeit und Fähigkeit waren eher verbunden mit der persönlichen Identität als mit der religiösen Identität. Genauso verhielt es sich mit der Produktivität und dem Konsumverhalten. Jemand mit einer „Bienennatur“ ist produktiv in seiner Dschahiliyya (Unwissenheit), wie auch in seinem Islam. Jemand mit einer „Fliegennatur“ ist konsumierend in seiner Dschahiliyya, wie auch in seinem Islam.

Diese Grundwahrheit war es, die den Gesandten Allahs veranlasste, um „einen der beiden Umar´s“ zu bitten.

Weshalb bat er nicht um alle beide der „zwei Umar´s“?

Weil er die Gesetze des Lebens genauso gut verstand, wie er die Natur des Menschen und seine Gesetzmäßigkeit verstanden hatte. Er war es auch, der den Satz aussprach: „Allah gibt zwei Wohltaten nicht zur gleichen Zeit.“

Sein Bittgebet wurde erhört. Umar ibn al-Khattab war der Gnadenerweis eines prophetischen Bittgebetes, das erhört wurde. Er verließ entschlossen sein Haus, um den Propheten zu töten und somit wieder Einheit und Frieden in Mekka wiederherzustellen, kehrte aber zurück als ein Gläubiger, der sich bedingungslos an Allahs Willen ergeben hatte.

Umar war ernsthafter als Amr. Deshalb hatte Amr nicht wie Umar den Versuch unternommen, alleine der ganzen Sache ein Ende zu bereiten. Er war in seinem Vorgehen planmäßiger, berechnender. Dieser Unterschied kennzeichnete Umar als einen der „beiden Umar´s“. Er ging an die Tür, um sie zu zerschlagen. Dieser Wille von ihm wurde sichtbar - auch wenn es dabei um Zerstörung ging - und durch das Eingreifen Desjenigen, der die „Herzen dreht und wendet“, war Umar gezwungen, an der Türe anzuklopfen. Türen, an denen angeklopft wird, öffnen sich, und auch diese Türe öffnete sich…

Amr war berechnender, aber nicht so berechnend wie der alte Fuchs Abu Lahab. Dieser hatte in die Schlacht von Badr einen bezahlten Soldaten geschickt, anstatt selbst dort zu erscheinen. Amr hatte dies nicht getan. In den darauf folgenden Jahren wurde er „Abu Dschahil“ (Vater der Unwissenheit) genannt. Diese Bezeichnung bekam er nicht wegen irgendwelchem Mangel an Wissen oder Information, sondern wegen seiner Unkenntnis seines Maßes und seiner Grenzen. Die Ergebenheit in den Willen Allahs hätte ihm das größte Gut gebracht: Das Wissen um die eigenen Grenzen und die Wertschätzung solchen Wissens.

Abu Dschahil nahm an der Schlacht von Badr teil, kämpfte für seine falsche Sache und starb. Dieser Charakterzug von ihm war es gewesen, der ehemals den Propheten veranlasst hatte, ihn einzuladen.

Kluge Führer wissen, dass ihr Erfolg nicht von der Anzahl der Köpfe abhängt, sondern von Eigenschaften und Kompetenz. In einer Überlieferung von Bukhari sagt der Prophet: „Die Menschen sind wie die Kamele. Manchmal kommen hundert zusammen und ihr könnt nicht eines finden, auf dem man reiten kann.“

Kurz gesagt: Eine Lokomotive kann tausend Waggons ziehen, aber tausend Waggons können keine Lokomotive ziehen.

Mustafa İslamoğlu
Übersetzung durch: VDM eV.
  


Nachrichten in diesem Thema
Gedanken über unser Menschenbild - von Saifullah - 14-02-2012, 10:46 PM
RE: Gedanken über unser Menschenbild - von Songül - 14-02-2012, 11:38 PM

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