Bismillahirrahmanirrahim
Assalamu aleikum we rahmatullahi we barakatuhu
Lieber Bruder,
du hast diese Diskussionen mit deinem Vater satt, weil du genau spürst, daß sie zu nichts Gutem führen. Versuche, sie in Zukunft zu vermeiden. Daß das nichts mit Heuchelei zu tun hat, will ich dir erklären.
Ich denke, dein Problem birgt drei Elemente.
1. Du wünschst dir, nur islamisch geschlachtetes Fleisch zu essen, um den Islam besser zu praktizieren. Ich vermute, du lebst bei deinen Eltern oder ißt bei ihnen, wenn du bei ihnen bist, und das Problem ist, daß die halt "normal" beim Metzger einkaufen. Also, wie kriegst du das jetzt hin, halal zu essen? Ich hab grad nochmal nachgeschaut, es ist tatsächlich eindeutig, daß man das Fleisch, das so normal in Deutschland angeboten wird, nicht essen darf. Zwar gibt es Gelehrte, die sagen, man könne das Fleisch der Christen essen, wenn man nicht genau weiß, daß es unislamisch geschlachtet ist. Aber in Deutschland ist das Schächten verboten, also handelt es sich bei diesem Fleisch um das Fleisch toter Tiere, haram. Gut erklärt auf
http://www.newmuslim-guide.com/de/your-f...#section-4, auch auf Deutsch.
Ich weiß echt nicht, wie du dieses Problem in deinem Alltag lösen kannst. Von Thunfisch leben? Aber ganz offensichtlich löst es das Problem nicht, indem du versuchst, deinen Vater zu überzeugen. Wie du siehst, führt das nur zu einer Verhärtung der Fronten, dein Vater ist schon ganz allergisch geworden, von wegen Salafisten, Araber, infiziert mit ihrem Gerede und so. Nachgeben und dir wie gewünscht das halal-Fleisch kaufen wird er bestimmt nicht!
2. Du mußt aufpassen, daß du deinem Vater sein Recht gibst. Erinnerst du dich, als das mit dem dschinni passiert ist (ob es nun wirklich einer war oder nicht), wie du da ein schlechtes Gewissen hattest, ob du da vielleicht etwas falsch machst, wenn du so mit deinem Vater diskutierst? Manchmal liegt man mit seinen Gefühlen gar nicht so falsch, und man tut gut an, sie ernst zu nehmen und über sie nachzudenken.
Schau mal, Koran:sure Luqman 31:14)
...daß du Mir dankbar sein sollst, und deinen Eltern...
Das Recht der Eltern über ihre Kinder ist sehr groß. An einigen weiteren Stellen im Koran steht das "Gutsein" zu den Eltern direkt nach dem Befehl, keinen Schirk zu begehen.
Heutzutage fehlt es überall und erst recht in Deutschland an dem Respekt vor den älteren Personen. Und die Haltung gegen die Eltern ist katastrophal: sie werden ja dank Sigmund Freud für alles verantwortlich gemacht. Wenn jemand Schlechtes tut, wird dafür eine Entschuldigung in seinen Kindheitserlebnissen gesucht, also den Eltern die Schuld zugeschoben.
Mir sollst du dankbar sein, und deinen Eltern!
Dankbarkeit, man könnte auch sagen: Anerkennung...
Du bist sauer, weil dich deine Eltern mit Haram-Fleisch ernährt haben und keine ideale muslimische Familie sind. Sieh das mal anders rum: Immerhin haben sie dich überhaupt ernährt, und auch nicht mit Schweinefleisch gefüttert und... Ja, im Ernst, versuch dir mal eine Liste von Sachen zu überlegen, für die du deinen Eltern dankbar sein könntest. Versuche mal, das Positive an ihnen zu sehen, versuch dir mal zu überlegen, was sie eigentlich alles für dich getan haben, in den zwanzig Jahren seit du auf der Welt bist. Verstehst du , worauf ich rauswill? Und wenn du dir das mal so richtig gründlich überlegt hast, vielleicht auch aufgeschrieben hast, dann laß sie diese Dankbarkeit spüren, Anerkennung, Respekt. Ja, auch Liebe, sei sanft zu ihnen, freundlich, tu was für sie, hilf ihnen im Alltag, laß sie fühlen, daß sie auf dich zählen können. Du brauchst nicht dazuzusagen, daß du das wegen Allah machst, das werden sie dann schon von selbst kapieren.
Und vielleicht gibt es dann auch einen Weg dahin, deinen Vater besser zu verstehen. Hast du dir eigentlich mal Gedanken über seinen Lebensweg gemacht? Mal mit ihm über seine Kindheit geredet, wie das war, als er vielleicht aus seiner Heimat nach Deutschland gekommen ist usw. Vielleicht kommt dann auch irgendwann der Tag, an dem er mit dir offen drüber redet, wie es ihm in Deutschland ergeht, vielleicht kann er ja weniger gut Deutsch als du und leidet darunter, daß ihm die gute Ausbildung fehlt, die er dir vielleicht ermöglichen konnte usw. Also, da sind jetzt schrecklich viele vielleichts drin, ich hoffe, ich liege nicht daneben, und falls doch, wirst du trotzdem kapieren, worum es geht: Ich will dir einen Weg aufzeigen dahin, SANFT zu deinem Vater zu sein, wie es dir ja auch die anderen Geschwister ans Herz gelegt haben.
3. Du wünschst dir, daß deine Eltern den Islam richtig bewußt praktizieren, du willst gerne, das Glück, das du da entdeckt hast, mit ihnen teilen.
Mach dir zunächst mal bewußt, daß es grundsätzlich schwierig ist für einen Vater, sich von seinem Sohn leiten zu lassen. Du mußt auch vorsichtig sein, wenn du vielleicht bei anderen Mitgliedern eurer Familie erfolgreicher bist, daß du deinem Vater seine Rolle als Familienoberhaupt trotzdem so weit wie möglich, also überall, wo es nicht um halal haram geht, erhältst.
Außerdem haben sich die Fronten bei euch jetzt schon verhärtet.
Deshalb würde ich dir raten: Warte ein bißchen ab. Mach aber solange ruhig schon viel viel Dua, daß Allah deine ganze Familie rechtleiten möge. Allah schenkt den Bittgebeten der Kinder für ihre Eltern besondere Beachtung!(mustadschab)
Aus dem Leben des Propheten, salla llahu aleihi we selem:
Als der Koranvers offenbart wurde, daß der Prophet seine Angehörigen zum Islam aufrufen sollte, (Die Dichter 26:214), lud der Prophet die wichtigsten Stammesmitglieder zu sich ein. Es waren insgesamt 45 Männer.
Aber Abu Lahab, einer seiner Onkel, kam ihm zuvor und sprach abfällig und gemein. Subhanallah – der Prophet schwieg ganz einfach still!
War das nun feige oder heuchlerisch ?– subhanallah, natürlich nicht!
Es war vielmehr Weisheit – der Prophet lud sie dann noch ein weiteres Mal ein, ergriff als erster das Wort, sagte was er zu sagen hatte, und bekam von seinem Onkel Abu Talib – der ja aber nie Muslim werden sollte -voll die Unterstützung zugesagt. Da blieb Abu Lahab nur noch eine abfällige Bemerkung am Schluß! (Meine Quelle: Ein bekanntes, allgemein anerkanntes moderneres arabisches Sira-Buch, Ar-Rahiq Al Machtum Scheich Safijjurrahman Almubarkafuri)
Und im Koran heißt es auch: (Die Biene An nahl 16:125)
Rufe auf zum Wege deines Herrn in Weisheit und mit einer guten (auch: schönen)
Ermahnung...
Also bitte: Kein Herumgestreite mehr mit deinem Vater, bringt nichts, im Gegenteil, das steht dann nur zwischen euch und verbaut dir den Weg zu seinem Herzen. Du hast es ja nicht nötig, daß er dir recht gibt – du hast recht. Wenn du dir in Einzelfragen unsicher bist, bleiben dir deine Geschwister, dich zu beraten. Geh zunächst mal einfach zielstrebig deinen richtigen, geraden Weg, zu dem auch die Verwirklichung von Punkt 2 gehört. Das braucht erst mal Zeit. Hab Geduld, lieber Bruder. Was lange währt, wird endlich gut – in scha Allah!
Nimm das auch an als Prüfung von Allah, daß Er dich mit deinem Wunsch, islamisch korrekt zu sein, in eine Situation gestellt hat, wo das nicht immer einfach ist und da einige Nüsse zu knacken sind wie jetzt eben das Halal essen...
Möge Allah dir zur Seite stehen und dir die Freude bereiten, daß deine Familie durch dein Vorbild zu einem bewußten Islam findet!