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Grundprinzipien der islamischen Bestimmungen (al-qawa'id al-fiqhijja) - Druckversion

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Grundprinzipien der islamischen Bestimmungen (al-qawa'id al-fiqhijja) - Issa Mönks - 12-07-2014

As Selam Alaykum rahmatullahi wa barakatuh,

Geschwister ich werde versuchen jeden tag einen kleinen abschnitt zu posten von diesem Thema was noch wichtig es sich in Erinnerung zu rufen In sha allah ta´ala

Baraka allahu fikum



Grundprinzipien der islamischen Bestimmungen (al-qawa'id al-fiqhijja)

Das Ableiten von Fiqh-Grundprinzipien aus den Hadithen
Die Rechtsgelehrten haben einige Grundprinzipien des Fiqh aus Hadithen abgeleitet. Ein Beispiel ist der folgende Hadith, den Buchari überliefert:
Ubbad ibn Tamim berichtet von seinem Onkel, der dem Propheten (s.a.s.) Folgendes geklagt hat: „(Was soll) ein Mann (machen), wenn er das Gefühl hat, während des Gebetes durch Blähung seine Gebetsvorwaschung zu verlieren (wörtl. wenn er im Gebet sich etwas
einbildet)?“ Da sagte der Prophet (s.a.s.): „Er soll nicht das Gebet verlassen, es sei denn, er hört etwas und riecht einen Geruch“.
Dieser Hadith weist darauf hin, dass das Gebet gültig ist, solange nicht mit Sicherheit etwas passiert ist, was die Gebetsvorwaschung ungültig macht. Im Hadith sind nicht nur die beiden explizit erwähnten Dinge (Geräusch durch Blähungen und Geruch durch Blähungen) gemeint, weil es bekannt ist, dass, wenn die innere Bedeutung (d.h. der Sinn) einer Aussage umfassender ist als sein Wortlaut, dann die rechtliche Bestimmung entsprechend der
inneren Bedeutung ist. Imam An-Nawawi sagt: „Dieser Hadith ist eine der Grundlagen für die Schariaregel, dass die Dinge bei ihrem ursprünglichen Sachverhalt bleiben, solange nicht mit Sicherheit eine Änderung aufgetreten ist. Ein vorübergehender Zweifel an einer möglicherweise stattgefundenen Änderung hat nichts zu bedeuten.“
Das, was Imam an-Nawawi gesagt hat, ist ein Fiqh-Grundprinzip, welches man auch so ausdrücken kann, wie die hanafitische Rechtsschule es formuliert hat: „Die Sicherheit wird
nicht durch den Zweifel verdrängt.“

Das erste Grundprinzip: Die Dinge werden entsprechend dem behandelt, was der Mensch wirklich beabsichtigt

Vorstellung des Grundprinzips
„Die Absichten der Menschen bei ihren Handlungen sind das, auf was Allah, der weise Gesetzgeber, schaut. Er weiß, was die Folge dessen ist, was er Seinen Dienern, den Menschen, befiehlt zu tun.
Somit haben die äußeren Handlungen eines Menschen nur dann einen Wert, wenn sie mit einer guten inneren Absicht verbunden sind. Ansonsten sind sie vor Allah wertlos und sie zählen vor Ihm nicht. Denn das eigentlich Wichtige ist das Herz und die Taten sind direkt mit dem Herz verbunden, wobei schlechte Taten das Herz blind machen.“

Die Belege für die Gültigkeit dieses Grundprinzips
Der Hadith: „Wahrlich, die Taten sind entsprechend der Absichten“ und viele andere Hadithe.

Davon abgeleitete Prinzipien der Scharia
Die Bedingungen für die Gültigkeit einer Tat vor Allah
1. Richtige Absicht
2. Die Tat muss in Einklang mit der Sunna des Propheten (s.a.s.) sein.
Ibn Mas'ud (r.) hat gesagt: „Reden ohne darauf folgende Taten nützt nichts, und Reden zusammen mit Taten nützt nichts ohne die gute Absicht. Und Reden zusammen mit Taten und der guten Absicht ist nutzlos, wenn dies nicht im Einklang mit der sicher überlieferten Sunna des Propheten (s.a.s.) ist.“ (Ibn Radschab al-Hanbali)

Was mit der Absicht (arab. n ijja) in Bezug auf gottesdienstliche Handlungen gemeint ist
1. Die Tat muss absichtlich von einer Gewohnheit abgesetzt sein. Z.B. kann man in der Moschee zum Ausruhen sitzen, wobei das Ausruhen eine gewöhnliche, alltägliche Tat ist.
Wenn man sich hingegen in der Moschee mit der Absicht des i'tikaf aufhält, so ist mit dem Aufenthalt in der Moschee eine gottesdienstliche Handlung entstanden, die vor Allah zählt.

2. Die Absichten unterscheiden zwischen den verschiedenen Graden des Gottesdienstes – einer Pflichttat oder einer freiwilligen. Z.B. kann man 2 rak'a beten mit der Absicht, das
morgendliche Pflichtgebet zu verrichten, man kann aber auch 2 rak'a freiwilliges Gebet vollziehen. Das, was die beiden Taten unterscheidet, ist lediglich die innere Absicht des Betenden.

Einige weitere Prinzipien bzgl. der Absicht
Hier gibt es viele Prinzipien. Im Folgenden sollen nur einige aufgeführt werden:
1. Die Taten, bei denen man eine innere Absicht hat, sind entweder reine gottesdienstliche Handlungen (wie Gebet, Pilgerfahrt usw.) oder aber von der Art der alltäglichen Handlungen, wie z.B., dass man seine Ehefrau anlächelt. Nimmt man sich vor, dies für Allah zu tun, dann wird daraus eine gottesdienstliche Handlung.

2. Bei den reinen gottesdienstlichen Handlungen (wie z.B. das Gedenken an Allah, Koranlesen usw.) braucht man nicht extra die Absicht zu fassen, dass es eine gottesdienstliche
Handlung ist. Hier muss man jedoch die Absicht fassen, dass man es für Allah und nicht aus Augendienerei tut.

3. Wer etwas übereilt haben will, bevor die Zeit dazu gekommen ist, wird damit bestraft, dass er es gar nicht bekommt. Hiermit ist gemeint, dass wenn man durch List ein religiöses Verbot umgehen will, man von Allah bestraft wird. Ein Beispiel dafür sind die Leute vom Volk Israel, denen verboten war, am Sabbat zu arbeiten. Um dieses Verbot zu umgehen, legten sie die Fischnetze schon am Freitag aus, damit am Samstag (Sabbat) die Fische reingehen. Daraufhin bestrafte Allah sie.

4. Die Gewichtigkeit der eigentlichen Zielhandlungen unterscheidet sich von der Gewichtigkeit des Mittels. Ein Beispiel dafür ist das Erlaubtsein von Lügen, um Frieden zu
stiften, obwohl normalerweise Lügen streng verboten ist. In diesem Fall geht es aber um ein höheres Gut, nämlich den Frieden zwischen den Muslimen.

5. Beim Abschluss von Verträgen: ist auch der äußere Wortlaut oder nur der Sinn, der damit gemeint ist, entscheidend? Hier gibt es unter den Rechtsgelehrten unterschiedliche
Meinungen. Allerdings ist die richtige Absicht in manchen Fällen des Vertragsabschlusses unvermeidlich, weil ein äußerer Wortlaut nicht eindeutig ist.


RE: Grundprinzipien der islamischen Bestimmungen (al-qawa'id al-fiqhijja) - Issa Mönks - 13-07-2014

As Selam Alaykum rahmatullahi wa barakatuh,

Der zweite teil:



Das zweite Grundprinzip: Auf einer sicheren Basis beruhende Verhältnisse ändern sich nicht durch nicht mit Sicherheit ereignete Änderungen


Vorstellung des Grundprinzips
„Die Sicherheit wird nicht durch den Zweifel verdrängt.“
Beispiele:

1. Das bereits Erwähnte, dass man die Gebetsvorwaschung nicht verliert, wenn man nicht sicher ist, ob etwas eingetreten ist, was sie ungültig macht.
2. Wenn man während des Gebetes nicht sicher ist, ob man erst bei der 3. oder schon 4. rak'a ist, geht man davon aus, dass man bei der 3. ist, da man in jedem Fall schon bis dahin das Gebet vollzogen hat, über das Vollziehen des weiteren Verlaufs aber nicht sicher ist.
Es ist zu erwähnen, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit (arab. ghalibadh-dhann) im islamischen Recht oft als sicherer Umstand behandelt wird, weil es kaum möglich ist, eine hundertprozentige Sicherheit zu erlangen.
Ein Beispiel ist das Folgende: Wenn ein Schiff untergegangen ist und wir sicher waren, dass ein betreffender Mann darauf war, dann kann man davon ausgehen, dass er tot ist.

Zu diesem Grundprinzip gibt es einige konkrete Ausnahmen. Dazu gehören:
– Wenn jemand mash über die Schuhe gemacht hat und nicht sicher ist, ob die Zeit (drei Tage bei einem Reisenden) bereits abgelaufen ist oder nicht, so geht er davon aus, dass sie abgelaufen ist.
– Wenn eine Frau nicht sicher ist, ob ihre Periode bereits vorbei ist oder nicht, weil immer noch etwas Restblut sichtbar ist, und sie unsicher ist, ob es als nichtzubeachtende istihada zu behandeln ist, muss sie vor jedem rituellen Gebet eine Ganzkörperwaschung (arab. ghusl) machen.
– Wenn jemand die Gebetsvorwaschung vollzieht und ihn dann Zweifel überkommen, ob er über seinen Kopf gestrichen hat oder nicht: die Sache kann man von zwei Gesichtspunkten aus sehen. Jedoch ist der vorzuziehende, dass seine Gebetsvorwaschung (arab. wudu') in Ordnung ist.
– Wenn jemand bereits mit dem Salam das rituelle Gebet abgeschlossen hat, ihn aber dann Zweifel überkommen, ob er drei oder vier ruku'as (Gebetsabschnitte) gebetet hat: diese Sache
kann man von drei Gesichtspunkten aus sehen. Jedoch ist der vorzuziehende, dass er nichts mehr machen muss und dass er sein Gebet als gültig betrachten kann.

Die Belege für die Gültigkeit dieses Grundprinzips

Buchari berichtet:
Ubbad ibn Tamim berichtet von seinem Onkel, der dem Propheten (s.a.s.) Folgendes geklagt hat: „(Was soll) ein Mann (machen), wenn er das Gefühl hat, während des Gebetes durch Blähung seine Gebetsvorwaschung zu verlieren (wörtl. wenn er im Gebet sich etwas
einbildet)?“ Da sagte der Prophet (s.a.s.): „Er soll nicht das Gebet verlassen, es sei denn, er hört etwas und riecht einen Geruch“.
Dieser Hadith weist darauf hin, dass das Gebet gültig ist, solange nicht mit Sicherheit etwas passiert ist, was die Gebetsvorwaschung ungültig macht. Im Hadith sind nicht nur die beiden explizit erwähnten Dinge (Geräusch durch Blähungen und Geruch durch Blähungen) gemeint, weil es bekannt ist, dass, wenn die innere Bedeutung (d.h. der Sinn) einer Aussage umfassender ist als sein Wortlaut, dann die rechtliche Bestimmung entsprechend der
inneren Bedeutung ist. Imam An-Nawawi sagt: „Dieser Hadith ist eine der Grundlagen für die Schariaregel, dass die Dinge bei ihrem ursprünglichen Sachverhalt bleiben, solange nicht mit Sicherheit eine Änderung aufgetreten ist. Ein vorübergehender Zweifel an einer möglicherweise stattgefundenen Änderung hat nichts zu bedeuten.“
Das, was Imam an-Nawawi gesagt hat, ist ein Fiqh-Grundprinzip, welches man auch so ausdrücken kann, wie die hanafitische Rechtsschule es formuliert hat: „Die Sicherheit wird
nicht durch den Zweifel verdrängt.“

Davon abgeleitete Prinzipien der Scharia
U.a.:
1. Das Prinzip „Die Grundlage ist die, dass man keine Pflicht vor Allah hat – außer wenn dies explizit durch die Religion angegeben ist (arab. bara'atu adh-dhimma).“
2. In den Dingen geht man zunächst davon aus, dass sie erlaubt sind. Erst wenn ein Beleg für ein Verbot da ist, wird es als verboten behandelt.
Der Beleg für dieses Prinzip:
● „Er ist Der, der für euch alles auf der Erde erschaffen hat.“[2:29]
● Die Aussage des Gesandten Allahs (s.a.s.): „Das Erlaubte (arab. halal) ist das, was Allah in Seinem Buch für erlaubt erklärt hat, und das Verbotene (arab. haram) ist das, was Allah in Seinem Buch für verboten erklärt hat. Über was Er aber geschwiegen hat, ist das, über was er hinwegsieht (arab. 'afa 'anhu) (Ibn Madscha)


RE: Grundprinzipien der islamischen Bestimmungen (al-qawa'id al-fiqhijja) - Issa Mönks - 14-07-2014

As Selam Alaykum rahmatullahi wa barakatuh,

Der dritte teil,


Das dritte Grundprinzip: Wenn die Ausführung von Bestimmungen der Scharia mit großen Schwierigkeiten verbunden ist, dann kommt automatisch eine gewisse Erleichterung zur Geltung

Vorstellung des Grundprinzips
„Wenn eine Drangsal (große Schwierigkeit) vorhanden ist, kommt eine Erleichterung in den islamischen Bestimmungen diesbezüglich zur Geltung. “(الشقة تلب التيسي)
Die islamischen Bestimmungen sollen keine Drangsal mit sich bringen. D.h. also, dass, wenn durch aktuelle Umstände die Umsetzung von Schariabestimmungen in der normalen Form mit
großer Schwierigkeit verbunden ist, dann automatisch eine gewisse Erleichterung rechtmäßig ist.

Die Belege für die Gültigkeit dieses Grundprinzips

U.a.:
● Allah hat gesagt: „Allah belastet niemanden über sein Vermögen. Ihm wird, was er verdient, und über ihn kommt, was er gesündigt. "Unser Herr, strafe uns nicht, wenn wir uns vergessen oder vergangen haben; unser Herr, lege uns nicht eine Verantwortung auf, wie Du sie denen auferlegtest, die vor uns waren. Unser Herr, bürde uns nicht auf, wozu wir nicht die Kraft haben...“..“[2:286]
● Allah sagt: „Allah möchte es euch leicht und nicht schwer machen.“[2:185]
As-Sujuti sagt zu diesem Koranvers: „Dieser Koranvers ist die Grundlage für ein Grundprinzip bzgl. der islamischen Pflichten und für ein Grundprinzip, von dem viele Detailangelegenheiten abgeleitet werden. Dieses Grundprinzip lautet: „Wenn eine Drangsal (große Schwierigkeit) vorhanden ist, kommt eine Erleichterung (in den islamischen Bestimmungen diesbezüglich) zur Geltung.“(الشقة تلب التيسي )

Dies ist eines von 5 Grundprinzipien, auf denen der Fiqh basiert. Von diesem Grundprinzip sind unzählige Prinzipien abgeleitet.“
● Allah sagt: „Und er hat euch in der Religion keine Drangsal (bzw. Bedrängnis) auferlegt.“[22:78]
● Muslim berichtet in seinem Sahih-Werk von Ibn Abbas (r.), dass der Prophet (Allas Segen und Heil auf ihm) das Mittags- und das Nachmittagsgebet und das Abend- und das Nachtgebet zusammenlegte ohne im Krieg (wörtl. Angst) zu sein oder dass es regnete. Ibn Abbas wurde danach gefragt, was der Prophet damit beabsichtigte, worauf Ibn Abbas antwortete: „Er wollte die Bedrängnis von seiner Gemeinde (arab. umma) nehmen.“

Davon abgeleitete Prinzipien der Scharia

Hier wird nur eines der abgeleiteten Prinzipien vorgestellt – der Umgang in Notsituationen.
In Notsituationen (arab. darurat, Pl. von darura) wird ein Teil der verbotenen Dinge erlaubt

Beispiel: Erlaubnis des Essens von Schweinefleisch, um zu überleben, wenn man nichts anderes zu essen hat und Angst hat zu verhungern.
Definition von Notsituation (arab. d arura) :
„Wenn man sich in solch einer Situation der Gefahr oder Drangsal befindet, so dass man Angst um sein Leben hat, oder Angst hat, Schaden zu erleiden bzgl. der körperlichen Unversehrtheit, der Ehre oder des Verstandes, dann wird es - innerhalb der Rahmenbedingungen der Scharia - erlaubt, etwas zu tun, was islamisch verboten (arab. haram) ist bzw. eine Pflicht zu unterlassen oder aufzuschieben, wenn man dadurch den Schaden mit hoher Wahrscheinlichkeit abwenden kann.“
Bedingungen dafür, dass eine Notsituation (arab. arura) vorliegt und dass man etwas normalerweise Verbotenes tun darf:
1. Die Gefahr bzgl. der fünf von der Scharia geschützten Dinge (Religion, Leben, Ehre (bzw. Nachkommenschaft), Verstand und Besitz) muss wirklich unmittelbar da sein. Es genügt nicht, dass man nur eine vage Angst hat.
2. Man darf nur dann dieses normalerweise Verbotene tun, wenn es keine andere, unter normalen Umständen erlaubte Möglichkeit gibt, den Schaden abzuwenden.
3. Um selbst einen Ausweg aus einer Notsituation zu finden, dürfen die Grundrechte anderer Menschen nicht beschnitten werden und auch nicht die Grundprinzipien der Religion
gebrochen werden. (Wenn man Angst hat zu verhungern, darf man jedoch auch Geld von anderen
nehmen, wenn diese es nach Anfrage verwehrt haben. (Siehe unten))

Welche Verbote darf man in einer Notsituation brechen?
In einer Notsituation – die man entsprechend genau einschätzt - werden alle normalerweise verbotenen Dinge erlaubt, außer die Folgenden:
Abfall vom Islam (Wenn man um sein Leben fürchtet, darf man äußerlich so tun, als ob man
Unglauben begeht (siehe [16:106]).)
Mord und Unzucht.
Das normal Verbotene, das man in der betreffenden Notsituation tun will, darf aber nicht einen größeren Schaden hervorbringen als den Schaden, den man verhindern will.

Belege aus dem Koran und der Sunna für das beschriebene Umgehen in einer Notsituation:
Es gibt fünf Stellen im Koran dazu:
„Verwehrt hat Er euch nur das von selbst Verendete und Blut und Schweinefleisch und das, worüber ein anderer Name als Allahs angerufen worden ist. Wer aber durch Not getrieben wird - nicht ungehorsam und das Maß überschreitend -, für ihn soll es keine Sünde sein. Allah ist allvergebend, barmherzig.“[2:173]
Die weiteren relevanten Koranverse sind [5:3], [6:145], [16:115] und [6:119].

Belege aus der Sunna für das beschriebene Umgehen in einer Notsituation:
Es gibt folgende Hadithe bzgl. des Verhaltens in Notsituationen (arab. darurat):
● Zwei Hadithe bzgl. der Erlaubnis, Verendetes zu essen, um zu überleben.
● Hadithe bzgl. der Erlaubnis, aus einem fremden Garten zu essen, wenn man sehr bedürftig ist, jedoch ohne etwas mitzunehmen.
● Hadithe bzgl. der Notwehr, um sein Leben, Hab und Gut und seine Ehre zu verteidigen, wenn man unmittelbar angegriffen ist. Verteidigung der Ehre heißt, dass man einen gewaltsamen Eindringling mit Gewalt zurückdrängen darf – nicht etwa „Ehrenmord“:
Der Prophet (s.a.s.) hat gesagt: „Wenn sich einfach jemand in den geschützten Bereich des Heims von Leuten ohne deren Erlaubnis Einblick verschafft, so ist es ihnen erlaubt, sein Auge auszustechen.“( Ahmad)
Buchari, Muslim u.a. berichten, dass der Prophet (s.a.s.) gesagt hat: „Wenn sich jemand einfach in den geschützten Bereich des Heims von Leuten ohne deren Erlaubnis
Einblick verschafft, und sie ihm sein Auge ausstechen, so müssen sie kein Schmerzensgeld (arab. dijat) bezahlen, und es gibt auch keine Vergeltung (arab. qisas).“

Bei speziellen und allgemeinen Notwendigkeiten verlieren Verbote, die Vorbeugungsmaßnahmen sind, ihr absolutes Untersagtsein

Ein weiteres abgeleitetes Prinzip ist der Umgang mit einer allgemeinen und speziellen Notwendigkeit, welches ähnlich wie in Notsituationen ist. Der Unterschied ist u.a. der, dass die Notwendigkeit schwächer ist als bei einer Notsituation, Bestimmungen für den Normalfall zu brechen.
Grob kann man sagen, dass es
1. einige Verbote gibt, die man nie brechen darf – wie z.B. das Verbot der Unzucht.
2. einige Verbote gibt, die in Notsituationen erlaubt werden – wie z.B. das Essen von Schweinefleisch (dies ist im vorigen Abschnitt ausführlicher erläutert worden) und
3. gibt es Verbote – wie z.B. beim urinieren mit der rechten Hand das Glied halten -, die aufgehoben werden, wenn eine Notwendigkeit dazu besteht. (z.b. Gipsarm)


RE: Grundprinzipien der islamischen Bestimmungen (al-qawa'id al-fiqhijja) - Issa Mönks - 15-07-2014

As Selam Alaykum rahmatallahi wa barakatuh,

Vierte Punkt,


Das vierte Grundprinzip: Gewohnheitsrecht gilt, solange keine anderen Schariaregeln verletzt werden

Vorstellung des Grundprinzips
„Die Sitten und Gebräuche haben im Sinne des islamischen Rechts insofern rechtliche Gültigkeit, dass die islamischen Bestimmungen hierdurch festgelegt werden, solange es keinen Offenbarungstext gibt, der dem entsprechenden Brauch widerspricht.“
Die Sitten und Gebräuche, die es in einem Volk gibt, und die nicht dem Islam widersprechen, haben einen großen Einfluss auf die rechtlichen Bestimmungen des Islam. Die Rechtsgelehrten sagen: „Wenn man den Menschen ihre Sitten und Gebräuche nehmen will, so ist dies mit großen Schwierigkeiten verbunden, weil diese Sitten und Gebräuche stark in den Köpfen der Menschen verankert sind.“
3.4.2 Die Belege für die Gültigkeit dieses Grundprinzips
● Die Aussage von Ibn Mas'ud: „Was die Muslime als gut ansehen, das ist auch bei Allah gut. Und was die Muslime als schlecht ansehen, das ist bei Allah schlecht.“(Albani sagt in „As-Silsila ad-da'ifa“: „Dies ist eine Aussage, die von Ibn Mas'ud berichtet wird. Die Behauptung, dass diese Aussage auf den Propheten (s.a.s.) zurückgeht, hat keine Grundlage.“)
● Allah hat gesagt: „Übe Nachsicht und gebiete entsprechend der Gewohnheit (arab.
wa'mur bil 'urfi) (wa'mur bil 'urfi hat im Arabischen zwei Bedeutungen: 1. „gebiete entsprechend der Gewohnheit“ 2. „und gebiete Gütigkeit“) und wende dich ab von den Unwissenden.“[7:199]
● Buchari und Muslim berichten, dass Aischa (r.) sagte:„Hind bint Utba sagte: „O Gesandter Allahs, (mein Ehemann) Abu Sufjan ist ein geiziger Mann und er gibt mir und meinem Kind nicht genügend Geld, so dass es nur dann genug ist, wenn ich ohne sein Wissen etwas von ihm nehme. Da sagte der Prophet (s.a.s.): „Nimm soviel entsprechend dem, was üblich ist (oder: im Guten, arab. bilma'ruf), so dass es dir und deinem Kind genügt“.
An-Nawawi sagt in seinen Erläuterungen zu Sahih Muslim zu diesem Hadith: „Aus diesem Hadith kann man u.a. ableiten, dass man auf das Gewohnheitsrecht (arab. 'urf) zurückgreift
in Dingen, wo es in der Scharia keine genaue Festlegung gibt.“
● Der Prophet (s.a.s.) hat in vielen Dingen die Menschen einfach in ihren Sitten und Gebräuchen belassen. Dies war dann, wenn diese Sitten und Gebräuche kein Übel darstellten
und es somit nicht durch die Scharia beseitigt werden musste.


Davon abgeleitete Prinzipien der Scharia
U.a.:
1. Das Prinzip „Man geht von dem Gewöhnlichen, was oft vorkommt, aus - und nicht von dem Seltenen.“
● Bsp.: Man geht davon aus, dass Kinder nicht selbstständig handlungsfähig sind. Deswegen ist es nicht rechtmäßig, dass Verträge von Kindern abgeschlossen werden. Wenn manche wenige Kinder auch schon selbstständig sind, so kann man diese Ausnahmen nicht als Grundlage für eine allgemeine Festlegung nehmen.
● Ausnahmen zu diesem Prinzip, dass man doch das Seltene zur Grundlage nimmt: dann, wenn dies eine Erleichterung mit sich bringt (Denn dann kommt das oben beschriebene Fiqh-Grundprinzip über die durch eine Erschwernis bedingte Erleichterung der rechtlichen Bestimmungen
zum Tragen). Z.B. ist es erlaubt, dass man barfuß auf der Straße laufen kann, obwohl eigentlich normalerweise Schmutz (arab. nadschasa) auf der Straße ist. Man kann dann auch einfach so beten, ohne die Füße zu reinigen, solange man nicht sicher ist, dass man wirklich in Schmutz (arab. nadschasa) getreten ist.
2. Das Prinzip „Die islamischen Bestimmungen ändern sich im Detail, wenn örtliche, zeitliche und andere Umstände sich ändern“
● Entsprechend örtlicher, zeitlicher und anderer Umstände können Vorbeugemaßnahmen vor Schaden an der Gesellschaft oder Bestimmungen, die einen Vorteil für die Gesellschaft bringen, sich ändern.
● Bsp: Charakterliche Verderbnis der Gesellschaft:
Wenn die Gesellschaft verderbt ist, dann kann es dahin kommen, dass es islamisch gesehen verboten ist für junge Frauen, in die Moschee zu gehen. Es wird berichtet, dass Umar (r.) und sein Sohn Ibn Umar (r.) eine Auseinandersetzung hatten, weil Ibn Umar (r.) trotz des Hadithes „Hindert die Frauen (wörtl. die Dienerinnen Allahs) nicht daran, in die Moschee zu gehen...“ seine Frau nicht in die Moschee gehen ließ mit dem Argument, dass die Menschen jetzt (d.h. zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung) verderbter geworden sind, als sie es zur Zeit der Aussage des Propheten (s.a.s.) gewesen sind.


RE: Grundprinzipien der islamischen Bestimmungen (al-qawa'id al-fiqhijja) - Issa Mönks - 16-07-2014

As Selam Alaykum rahmatullahi wa barakatuh,

So der letzte teil von diesem Thema erst mal,

Baraka allahu fikum möge allah azza wa jall uns daraus was erlangen lassen an wissen um näher an unseren Herren zu kommne amin.


Das fünfte Grundprinzip: „Keinen Schaden zufügen und keinen Schaden mit Schadenszufügung beantworten“

Vorstellung des Grundprinzips
Man darf grundsätzlich keinem Menschen oder Tier einen Schaden gleich welcher Art zufügen, es sei denn, es gibt eine rechtliche Grundlage dafür, wie z.B. Verteidigung seines Lebens unter Gewaltanwendung, wenn man angegriffen wird, o.ä.

3.5.2 Die Belege für die Gültigkeit dieses Grundprinzips
● Der Prophet (s.a.s.) hat gesagt:
„Keinen Schaden zufügen und keinen Schaden mit Schadenszufügung
beantworten. Wer (jemandem) Schaden zufügt, dem fügt Allah Schaden zu...“ (Dies berichtete Al-Hakim. Albani sagt, dass dies ein authentischer (sahih) Hadith ist)
● „Und wenn ihr euch von den Frauen scheidet und sie nähern sich dem Ende ihrer Wartefrist, dann sollt ihr sie entweder auf geziemende Art behalten oder auf geziemende
Art entlassen; doch haltet sie nicht zu (ihrem) Schaden zurück, um ungerecht zu handeln...“[2:231]
● „Und (die geschiedenen) Mütter sollen ihre Kinder zwei volle Jahre säugen, so jemand will, die Säugung vollständig zu machen. Und der Vater soll für ihre (der Mütter) Nahrung und Kleidung aufkommen nach Billigkeit. Niemand werde belastet über sein Vermögen. Die Mutter soll nicht bedrängt werden (bzw. es soll ihr kein Schaden zugefügt werden) wegen ihres Kindes, noch soll der Vater bedrängt werden wegen seines Kindes...“[2:233]
● u.a.

Davon abgeleitete Prinzipien der Scharia
U.a.
● „Ein Schaden muss so gut es geht abgewendet werden“
● „Ein Schaden darf nicht damit abgewendet werden, dass
dadurch ein ebenso großer oder noch größerer Schaden entsteht.“
● „Schaden abzuwenden hat Priorität vor der Herbeiführung eines Vorteils“
Al-'Izz ibn Abdussalam sagte: „Wenn mit einer Angelegenheit sowohl Vorteile als auch Schaden verbunden ist, dann versuchen wir, den Vorteil zu erlangen, und den Schaden
abzuwenden gemäß der Aussage Allahs „Und fürchtet Allah, so gut ihr es nur könnt...“ [64:16]. Wenn es nicht möglich ist, den Schaden abzuwenden, und der Vorteil kleiner als der damit verbundene Schaden ist, dann vermeiden wir den Schaden (indem wir die Handlung unterlassen) und kümmern uns nicht darum, dass uns ein Vorteil verloren gegangen ist.“157