Hallo skayser,
"Der von mir zitierte Versausschnitt mag sich etwas nach göttlicher Willkür anhören (oder zumindest lässt sich das hineininterpretieren),"
Die Sorge vor Gottes Willkür steckt hier drinnen?
Was ist Willkür? In Wikipedia wird Willkür definiert als "Rechtsanwendung ohne sachlichen Grund".
Was aber ist sachlicher Grund? Unter einem sachlichen Grund verstehen wir etwas, das wir selbst verstehen. Ein Grund muss uns einleuchtend sein. Dann gehen wir davon aus, er wäre keine Willkür. Leuchtet uns ein Grund nicht ein, betrachten wir ihn als Willkür.
Der Mensch hat immer Angst vor den Dingen, die er nicht versteht. Er sucht immer nach Sicherheiten. Göttliche Willkür macht ihm Angst. Es gibt so einige Menschen, die vom Islam zum Christentum konvertieren, weil sie glauben, dass sie dadurch eine Sicherheit für den Himmel hätten. Die Bibel bzw. das mehrfach veränderte "Neue Testament" sichert ihnen das quasi zu. Objektiv betrachtet können wir aber keine Sicherheit bekommen, weil wir nicht von unserer heutigen Situation auf unser zukünftiges Leben schließen können. Wir wissen heute nicht, ob wir immer gut handeln werden, ob wir immer die Gebete zuverlässig verrichten usw. Wir wissen nicht einmal heute, ob wir wirklich so gut sind, wie wir uns das selbst einreden.
Aber weißt Du, es gibt etwas, das viele Muslime von vielen Christen unterscheidet: Sie brauchen keine Sicherheit, weil sie Gottvertrauen haben, weil sie in Allahs Gerechtigkeit und seine Barmherzigkeit vertrauen.
Dieses Gottvertrauen ist wichtig, denn es führt uns zu der Überzeugung, dass Gott gerecht handeln wird, dass möglicherweise etwas, das wir als willkürlich empfinden, gar nicht so willkürlich ist. Wir Menschen fühlen uns oft willkürlich schlecht behandelt, weil unser Ego meint, wir müssten immer an erster Reihe stehen.
Schon den Versuch zu unternehmen, Gottes Logik in irgendeine Logik zu pressen, muss zum Scheitern führen. Wir können Allah -swt- nicht verstehen, wir wissen aber, dass er alles im Universum in eine Beziehung zum anderen gestellt hat: die Luft ist so geschaffen, dass wir atmen und leben können, das Obst ist so gemacht, dass wir es essen können. Gott zeigt uns also, dass er eine Gerechtigkeit und Barmherzigkeit hat, die alles zueinander in Beziehung setzt.
Allah kann willkürlich handelt, er braucht keine Gesetzmäßigkeiten. Während viele Christen glauben, Gott hätte am Kreuz sterben müssen, um Gerechtigkeit wieder her zustellen, wissen wir, dass Allah - swt - nur mit seinem Finger schnipsen muss, um etwas ins Dasein treten zu lassen. Allah -swt- hat uns vielfach in Wundern gezeigt, dass er die Naturgesetze seiner Schöpfung auch einfach durchbrechen kann: Moses - Friede sei auf ihm - spaltete das Meer, Mohammed - Friede und Segen auf ihm - spaltete den Mond.
Allah -swt- kann fern von unserem Verstand die Dinge jederzeit durchbrechen, das kann er ganz "willkürlich" tun.
"Ein gerechter / barmherziger Allah und wir Menschen, die wir aus freien Stücken in die Irre gehen können; wenn wir darauf beharren."
Allah -swt- wollte das Schlechte, ja. Denn Allah -swt- hätte es in der Hand gehabt, eine Welt ohne Übel zu schaffen, ohne Sünde, ohne Unglauben. Natürlich liebt er es nicht, wenn wir in die Irre gehen, aber er liebt es, wenn wir durch den Irrtum das tun, was gut ist, was richtig ist. Das Leben ist eine Prüfung, aber wer soll geprüft werden, wenn er nicht falsch handeln kann? Er lässt zu, dass wir Schlechtes tun und er gibt uns den Lohn für unser schlechtes Tun.
"Ein Gott der besorgt ist um seine Schafe, sich nichts sehnlicher wünscht, als das ein jedes den rechten Weg findet (manchmal halt mit einem Schubser in die richtige Richtung) und der nicht gleich beim ersten Fehltritt jemanden als Irrenden abstempelt. Das klingt jetzt vielleicht etwas überzeichnet, aber ich hoffe, dass ihr versteht, was ich meine."
Man muss glaube ich dieses Gleichnis mit den Schafen im Kontext sehen. Historisch teilte sich Israel in das Nord- und Südreich Israel. Eine der größten Hoffnungen des jüdischen Volkes war, dass die 12 Stämme Israels irgendwann wieder vereinigt werden. Die 10 Stämme - das Nordreich Israel - blieben allerdings verschollen. Samarien war die damalige Hauptstadt des Nordreiches. Das Nordreich ist aber nie zurückgekehrt. Jesu sagte bei seiner Aussendung der Jünger: "Gehet nicht zu den Heiden und ziehet nicht in der Samariter Städte, sondern gehet hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel.…" (Mt 10,5). Weder in Samarien konnte man die verlorenen Schafe finden, noch interessierten ihn die Heiden. Es findet sich hier die uralte Sehnsucht des Volkes Israel, irgendwann wieder vereinigt zu werden.
Es hat also nichts mit der arabischen Welt zu tun, noch mit uns Heiden. Wenn wir Jesus ernst nehmen, wurde er nicht zu uns geschickt, denn wir sind keine Israeliten, die verloren gingen.
Das moderne Christentum macht daraus, dass der liebende Gott jedem Sünder hinterherläuft, dass er sich - dieser Logik folgend - für die Sünden der Welt selbst hingibt. Wenn aber Allah, der allmächtige und allwissende jedem einzelnen Sünder hinterherläuft, wäre es nicht gerecht, dass so viele Sünder leiden müssen, dass Unschuldige sterben. Ja, Allah - wt -freut sich über jeden Menschen, der sich entscheidet und sich zu ihm hinwendet. Dafür wird er ihn den Lohn geben. Und Allah -wt- ist es, der Dein Herz in die richtige Richtung drängt, aber die Entscheidung, dieser Herzensrichtung zu folgen und Dich auf ihn einzulassen, das ist eine persönliche Entscheidung und die musst Du selbst treffen. Wenn Du Dich seiner Herzensprägung widersetzt, ja dann will er es, dass Du auch dafür die Früchte erntestet.Dennoch schickte er immer wieder Propheten, um uns die Wahrheit zu zeigen. Z.b. gibt es viele Christen, in deren Herzen Allah - wt- den Glauben an den einen Gott verwurzelt hat und die den Koran kennen, und die auch wissen, dass ihre Kirche irrt, dennoch gehen sie nicht den Schritt und entscheiden sich.
Gruss, Abraham,