18-09-2008, 06:18 PM
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 23-10-2008, 09:05 PM von Ansar Deen.)
Das weiße Pferd
Ein alter Mann lebte in einem Dorf und war sehr arm; aber selbst Könige waren neidisch auf ihn, denn er besaß ein wunderschönes weißes Pferd. Die Könige boten phantastische Summen für das Pferd, aber er verkaufte es nicht.
Eines morgens fand er sein Pferd nicht im Stall. Das ganze Dorf versammelte sich und die Leute sagten: "Du dummer alter Mann, was haben wir dir gesagt? Wir haben es immer gewusst, dass das Pferd eines Tages gestohlen würde. Es wäre besser gewesen, es zu verkaufen. Welch ein Unglück ist jetzt geschehen.
Der alte Mann aber sagte: "geht nicht so weit, das zu sagen. Sagt einfach nur das, was ist. Das Pferd ist nicht im Stall. Soviel ist Tatsache, alles andere ist Urteil. Ob es ein Unglück ist oder ein Segen weiß ich nicht, weil ich nicht weiß, was darauf folgen wird." Die Leute lachten den Alten aus. Sie hatten schon immer gewusst, dass er ein bisschen verrückt war.
Aber nach 14 Tagen kehrte das Pferd plötzlich zurück. Es war nicht gestohlen wurden, sondern in die Wildnis ausgebrochen. Und nicht nur das, es brachte noch 12 wilde Pferde mit. Wieder versammelten sich die Leute und sagten: "Alter Mann, du hast doch recht; es hat sich tatsächlich als Segen erwiesen." Der alte Mann entgegnete: "wieder geht ihr zu weit. Sagt einfach, das Pferd ist zurückgekommen. Ihr lest nur ein einziges Wort in einem Satz; wie könnt ihr das ganze Buch beurteilen?" Wieder lachten die Leute ihn aus.
Der alte Mann hatte einen einzigen Sohn. Der begann nun, die Wildpferde zuzureiten. Schon eine Woche später fiel er vom Pferd und brach sich beide Beine. Wieder versammelten sich die Leute und wieder urteilten sie: "wieder hattest du recht, es war ein Unglück. Dein einziger Sohn kann nun seine Beine nicht mehr gebrauchen, und er war die Stütze deines Alters. Jetzt bist du ärmer als je zuvor!" Der Alte antwortete: "Ihr seid besessen vom Urteilen. Geht nicht so weit. Sagt nur, dass mein Sohn sich die Beine gebrochen hat. Niemand weiß, ob dies ein Unglück oder ein Segen ist. Das Leben kommt in Fragmenten; mehr bekommt ihr nie gleichzeitig zu sehen."
Die Menschen wunderten sich über den Alten und es begab sich, dass das Land nach ein paar Wochen einen Krieg begann. Alle jungen Männer des Ortes wurden zwangsweise zum Militär eingezogen, nur der Sohn des alten Mannes blieb zurück, weil er verkrüppelt war. Der ganze Ort war vom Wehgeschrei erfüllt, weil dieser Krieg nicht zu gewinnen war und man wusste, dass die meisten nicht nach Hause zurückkehren würden. Sie kamen zu dem alten Mann und sagten: "Du hattest recht, alter Mann, es hat sich als Segen erwiesen. Dein Sohn ist zwar verkrüppelt, aber immerhin ist er noch bei dir."
Der alte Mann antwortete wieder: "Ihr hört nicht auf zu urteilen! Sagt nur dies, dass man eure Söhne in die Armee eingezogen hat und dass mein Sohn nicht eingezogen wurde.
Denn nur Gott, der das Ganze überblickt, weiß, ob dies ein Segen oder ein Unglück ist.