21-05-2014, 09:23 PM
Aber man muss für eine Hypothese einen Beweis haben richtig? Weil genau da drauf ist eine Hypothese aufgebaut. Wenn man keinen Beweis hat ist es einfach zusagen so und so ist oder könnte es sein oder so muss sein. Hast du dir nie Frage Gestellt wenn die Person dir was Erzählt das sie einen beweis haben muss. Dann muss du mir mal sagen wenn wir aus der EVOLUTION abstammen oder davon wie fing alles an weil irgend was muss da sein wo wir uns raus entwickelt haben oder nicht ?
Beispiel; Ich habe dich gestern gesehen auf de Straße!!!! Was sagst du wenn du ehrlich bist jetzt?
Dann hast du mal einen Link von diesem buch für mich ?
Dann mal was ganz interessantes für alle hier was überhaupt der richtig unterschied ist zwischen Hypothese und einer Theorie:
1 Begriffe
"Die Verständlichkeit wissenschaftlicher Sätze [Hypothesen, H.W.] hängt von der Verständlichkeit ihrer Begriffe ab. [...] Ein Begriff ist verständlich, wenn klar ist, was er umgreift, d.h. wenn eindeutig ist, welche Gegenstände bzw. Ereignisse bzw. Elemente hineingehören und welche nicht. Elemente, die in einem Begriff zusammengefaßt werden, müssen mindestens ein Merkmal oder ein Merkmalskombinat gemeinsam haben, das sonst nicht vorkommt. Die Definition eines Begriffes sollte seinem tatsächlichen Gebrauch entsprechen." (Eberhard 1977, 3)
An zwei Definitionen von "Verwahrlosung" läßt sich beispielhaft die Problematik der Verständlichkeit und Eindeutigkeit aufzeigen.
Definition 1:
"Verwahrlosung ist ein durch Umwelteinflüsse entstandenes Unvermögen (oder mangelnde Bereitschaft), den Anforderungen einer Gesellschaft oder Gruppe zu entsprechen." (Claessens u.a. 1976, 176, zit. n. Eberhard 1977, 3)
Ist der Begriff
verständlich?
eindeutig?
Ist dann aber auch bei Behinderten, geniale Künstlern, Homosexuellen und radikalen Studenten von "Verwahrlosung" zu sprechen?
Definition 2:
"Verwahrlosung ist fortgesetztes und allgemeines Sozialversagen." (Hartmann 1970, 5, zit. n. Eberhard 1977, 4)
Eberhard meint, die zweite Defintion treffe den tatsächlichen Sprachgebrauch wesentlich besser, weil sie partielle und episodische Normabweichungen ausklammere.
Ist sie aber präzise genug?
Schließt sie Behinderte, geniale Künstler, Homosexuelle, radikale Studenten aus?
Anforderungen an Begriffe:
Präzision: damit ein Beobachter bei jedem Ereignis unterscheiden kann, ob es zum Begriff gehört oder nicht. Beispiel: Zuverlässige Zuordnung von "Verfassungswidrigkeit" durch einen Richter. Dieser müßte bei Vorlage derselben Fälle ohne Erinnerung an seine vorangegangene Entscheidung in gleicher Weise zuordnen wie beim ersten Mal.
Konsistenz: wenn die Zuordnung von allen Beobachtern übereinstimmend vorgenommen wird. Beispiel: Wenn alle Richter im Geltungsbereich des Gesetzes übereinstimmende Zuord-nungen vornehmen würden.
2 Hypothesen und Theorien
2.1 Definition: Was ist eine Hypothese? Was ist eine Theorie?
"Hypothesen sind aus präzise definierten Begriffen zusamengesetzte Sätze, die mit mehr oder weniger Wahrheitsanspruch mehr oder weniger allgemeine Aussagen über bestimmte Bereiche der Realität enthalten. Ein System von Hypothesen ist eine Theorie. Oft wird schon eine einzelne zentrale Hypothese als Theorie bezeichnet." (Eberhard 1977, 4)
"Als Theorie wird allgemein ein System von über den Einzelfall hinausgehenden Aussagen bezeichnet, das dazu dient, Erkenntnisse über einen Tatsachenbereich [...] zu ordnen und das Auftreten dieser Tatsachen zu erklären. In der Forschung haben Theorien vor allem die Funktion, das Erkenntnisinteresse und die Fragestellung zu leiten sowie eine Strategie für die Erhebung und Auswertung der Daten bereitzustellen [...]. Dem Praktiker sollen Theorien Voraussagen und Erklärungen, Verständnis und eine gewisse Kontrolle problematischer Situationen ermöglichen." (Dolde 1993, 541)
Theorien sollen Sachverhalte aufgrund der mit ihnen verbundenen Gesetzmäßigkeiten über den Einzelfall hinaus erklären und auf der Grundlage dieser Gesetzmäßigkeiten Voraussagen ermöglichen.
Zu den Begriffen "Theorie" und "Gesetz":
Gemeinsamkeit: allgemeine Aussagen mit Erklärungswert, die empirisch geprüft und noch nicht widerlegt worden sind.
Unterschied: Theorie ist eine Zusammenfassung von Gesetzen, besser: Hypothesen. Denn sie können in den Sozialwissenschaften aufgrund ihres Wahrscheinlichkeitscharakters relativ leicht widerlegt (falsifiziert) werden. Es gibt keine "wahren", "verifizierten" Theorien. Zukünftige, noch unbekannte Ereignisse können widerlegen. (542).
2.2 Inhalte und Formen von Hypothesen
Man unterscheidet Hypothesen sinnvollerweise nach ihren Inhalten und Formen.
2.2.1 Inhalte von Hypothesen
(vgl. Opp 1970, 14, zit. n. Eberhard 1977, 4)
phänomenologische Hypothesen (behaupten und beschreiben Realitäten)
Wie unterscheidet sich das Erscheinungsbild der Menschen (oder anderer Merkmalsträger) mit dem Merkmal A von denen, die das Merkmal A nicht haben?
Wenn man Aussagen über Körperbehinderte, Straffällige, Sozialhilfeempfänger, Arbeitslose, Rechtsradikale usw. machen will, muß man sie vorher mit Nicht-Körperbehinderten, Nicht-Straffälligen, Nicht-Sozialhilfeempfängern, Nicht-Arbeitslosen, Nicht-Rechtsradikalen vergleichen.
kausale Hypothesen (behaupten Ursachen von Realitäten)
Welche Einwirkungen führen dazu, daß sich bei den Menschen (oder anderen Merkmalsträgern) das Merkmal A entwickelte (Einwirkungen können aus der Umwelt und aus der Innenwelt des Menschen stammen)?
Welche Einwirkungen gibt es, daß Menschen körperbehindert, straffällig, sozialhilfebedürftig, arbeitslos, rechtsradikal werden?
strategische Hypothesen (behaupten Einwirkungsmöglichkeiten auf Realitäten)
Welche Einwirkungen führen dazu, daß die Menschen (oder andere Merk-malsträger) das Merkmal A verlieren oder daß das Merkmal A schwächer wird?
Welche Einwirkungen führen dazu, daß Menschen die nicht-notwendigen Einschränkungen ihrer Körperbehinderung oder gar ihre Körperbehinderung selbst verlieren? Welche Einwirkungen führen dazu, daß Menschen ihr Merkmal der Straffälligkeit, der Sozialhilfebedürftigkeit, der Arbeitslosig-
keit, des Rechtsradikalismus verlieren?
2.2.2 Formen von Hypothesen
(vgl. Groeben und Westmeyer 1976, 108ff, zit. n. Eberhard 1977, 4f)
Die Formen von Hypothesen beziehen sich auf den Grad ihrer Verallgemeinerung oder Generalisierung, also auf ihre Aussagekraft und Reichweite.
Universelle Hypothesen
Sie sind anwendbar auf alle Fälle einer bestimmten Art und räumlich und zeitlich unbeschränkt.
Beispiel:
Wenn auf Straftaten Jugendlicher keine amtliche Sanktionierung erfolgt, verringert sich in der Zukunft die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Straftaten Jugendlicher.
Singuläre Hypothesen
Sie sind anwendbar auf bestimmte Fälle und machen Aussagen über diese.
Beispiel:
Der Erlebnisurlaub in der Sahara hatte in puncto Erlernen von Regeln positive Auswirkungen auf Johannes.
Existenzhypothesen
Sie behaupten das Vorliegen bestimmter Sachverhalte oder den Eintritt bestimmter Ereignisse.
Beispiel:
Es gibt für jeden Menschen Situationen, in denen er zum Mörder werden kann.
Statistische Hypothesen
Sie drücken statistische Beziehungen aus, bspw. durch Mittelwerte (Durchschnitte) und Korrelationen (Zusammenhänge). Sie beziehen sich auf universelle Hypothesen in ihren verschiedenen Spielarten (unbeschränkt-universell, beschränkt-universell, quasi-universell)
Beispiele:
Intelligenz- und Schulleistungen korrelieren zu 0.60 miteinander.
Europäische Länder ohne lebenslange Freiheitsstrafe (Spanien, Norwegen, Zypern) haben im Durchschnitt eine jährliche Rate von 1,26 vollendeten Tötungsdelikten pro 100.000 Einwohner.
Europäische Länder mit lebenslanger Freiheitsstrafe (England & Wales, Schottland, Frankreich, Niederlande, Österreich, Deutschland [alte Bundesländer]) haben eine gemeinsame jährliche Rate von 1,58 vollendeten Tötungsdelikten pro 100.000 Einwohner.
Vergleicht man die beiden letzten Hypothesen miteinander, so kommt man zu einer phänomenologischen Hypothese. Probieren Sie es aus!
Teil II: Theorien (Hypothesen), Erkenntniswege und gesellschaftlicher Erkenntnisprozeß
Dieser Teil behandelt zuerst die Einbindung der Theorien in den gesellschaftlichen Erkenntnisprozeß. Ein Teil des gesellschaftlichen Erkenntnisprozesses spiegelt sich ferner in den verschiedenen Erkenntniswegen und im Erkenntnisinteresse des Wissenschaftlers wider, der sich einem Forschungsgegenstand nähert:
Literatur:
Eberhard, Kurt. Einführung in die Wissenschaftsheorie und Forschungsstatistik für soziale Berufe. 2. Aufl. Neuwied, Darmstadt: Luchterhand, 1977
Gadamer, Hans-Georg. "Hermeneutik". Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg. Joa- chim Ritter. Basel, Stuttgart, 1974
Habermas, Jürgen. Technik und Wissenschaft als "Ideologie". Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1969
Kruse, Otto. Keine Angst vor dem leeren Blatt: Ohne Schreibblockaden durchs Studium. 6. Aufl. Frankfurt a.M., New York: Campus Verlag, 1998.
Moser, Heinz. Aktionsforschung als kritische Theorie der Sozialwissenschaften. München, 1975
Schleifstein, Josef. Einführung in das Studium von Marx, Engels und Lenin. 3. Aufl. München: C.H. Beck, 1975
1 Einbindung von Theorien in den gesellschaftlichen Erkenntnisprozeß
Mündliche Erläuterung anhand des Schemas des gesellschaftlichen Erkenntnisprozesses von Eberhard (Anlage 1). Die einzelnen Schritte und Begriffe wurden erklärt. Zum Nachlesen: Eberhard (1977, 8ff).
2 Erkenntniswege
Eberhard (1977, 17) geht von fünf verschiedenen Erkenntniswegen aus:
deduktiv-dogmatischer Erkenntnisweg
Ausgangspunkt ist Richtigkeit einer umfassenden Theorie, alle Fragestellungen werden gemäß dieser Grundtheorie bearbeitet, werden von ihr abgeleitet (deduziert). Ein Dogma ist ein Lehrsatz, dessen Wahrheitsgehalt nur gläubig hingenommen als unanfechtbar gilt, der deshalb zur Grundlage einer Glaubenslehre oder einer Ideologie gemacht wird.
Beispiele:
Unfehlbarkeit des Papstes
Prädestinationslehre (Luther, Zwingli, Calvin)
Orthodoxer und undialektischer Marxismus, in dem nur das Sein das Bewußtsein bestimmt.
induktiv-empiristischer Erkenntnisweg
Schluß vom Einzelnen, Besonderen auf etwas Allgemeines, Gesetzmäßiges. Aus dem Sammeln von Beobachtungen und deren Verknüpfungen gelangt man zu einer Theorie (Induktion)
Beispiele eines Induktionsschlusses:
Gold, Silber, Eisen usw. sind Metalle. Gold, Silber, Eisen usw. sind schwerer als Wasser. Also sind alle Metalle schwerer als Wasser. Der Schluß war richtig, bis das Kalium entdeckt wurde.
Unter Strafgefangenen sind Unterschichtsangehörige überrepräsentiert (ca. 80% der Strafgefangenen gehören der Unterschicht an). Also ist der weitaus triftigste Grund für die Straffälligkeit die Zugehörigkeit zur Unterschicht.
Strafrechtlich auffällige Drogenabhängige stammen aus strukturell oder funktional unvollständigen Familien. Also sind solche Familien der Grund für Drogenabhängigkeit.
deduktiv-theoriekritischer Erkenntnisweg
Aus dem Verstand geborene Theorien und daraus abgeleitete Prüfhypothesen (Deduktion, vgl. Schema gesellschaftlicher Erkenntnisprozeß ab Punkt 7.2), werden logisch und empirisch kontrolliert. Die Vertreter dieses Erkenntnisweges nennen sich kritische Rationalisten (z.B. Albert, Popper, Topitsch). Im Anschluß an Comte (1798-1857). Man nennt die kritischen Rationalisten auch Neopositivisten oder theoreiekritische Positivisten. Sie halten sich an das, was "positiv" gegeben ist: beobachtbare Tatsachen bzw. die durch solche Tatsachen hervorgerufenen Empfindungen.
Kennzeichen dieses Erkenntnisweges:
Ablehnung der Metaphysik (Metaphysik = das, was sich hinter dem Physischen verbirgt, Grundwissenschaft, in der alle philosophischen Disziplinen (Ontologie, philosoph. Antrhropologie oder Existenzphi-losophie), Theologie wurzeln;
grundlegende Funktion der Erfahrung, Beobachtung;
Primat der Theorie;
kontrollierende Funktion der Empirie.
Kritik des theoretiekritischen Erkenntnisweges:
Fiktion der "Wertfreiheit";
ahistorische Ausrichtung (Desinteresse an der Entstehungsgeschichte wissenschaftlicher Hypothesen);
Trennung von Theorie und Praxis.
dialektisch-materialistischer Erkenntnisweg
Vertreter: Marx, Engels, Lenin usw.
Beispiel; Ich habe dich gestern gesehen auf de Straße!!!! Was sagst du wenn du ehrlich bist jetzt?
Dann hast du mal einen Link von diesem buch für mich ?
Dann mal was ganz interessantes für alle hier was überhaupt der richtig unterschied ist zwischen Hypothese und einer Theorie:
1 Begriffe
"Die Verständlichkeit wissenschaftlicher Sätze [Hypothesen, H.W.] hängt von der Verständlichkeit ihrer Begriffe ab. [...] Ein Begriff ist verständlich, wenn klar ist, was er umgreift, d.h. wenn eindeutig ist, welche Gegenstände bzw. Ereignisse bzw. Elemente hineingehören und welche nicht. Elemente, die in einem Begriff zusammengefaßt werden, müssen mindestens ein Merkmal oder ein Merkmalskombinat gemeinsam haben, das sonst nicht vorkommt. Die Definition eines Begriffes sollte seinem tatsächlichen Gebrauch entsprechen." (Eberhard 1977, 3)
An zwei Definitionen von "Verwahrlosung" läßt sich beispielhaft die Problematik der Verständlichkeit und Eindeutigkeit aufzeigen.
Definition 1:
"Verwahrlosung ist ein durch Umwelteinflüsse entstandenes Unvermögen (oder mangelnde Bereitschaft), den Anforderungen einer Gesellschaft oder Gruppe zu entsprechen." (Claessens u.a. 1976, 176, zit. n. Eberhard 1977, 3)
Ist der Begriff
verständlich?
eindeutig?
Ist dann aber auch bei Behinderten, geniale Künstlern, Homosexuellen und radikalen Studenten von "Verwahrlosung" zu sprechen?
Definition 2:
"Verwahrlosung ist fortgesetztes und allgemeines Sozialversagen." (Hartmann 1970, 5, zit. n. Eberhard 1977, 4)
Eberhard meint, die zweite Defintion treffe den tatsächlichen Sprachgebrauch wesentlich besser, weil sie partielle und episodische Normabweichungen ausklammere.
Ist sie aber präzise genug?
Schließt sie Behinderte, geniale Künstler, Homosexuelle, radikale Studenten aus?
Anforderungen an Begriffe:
Präzision: damit ein Beobachter bei jedem Ereignis unterscheiden kann, ob es zum Begriff gehört oder nicht. Beispiel: Zuverlässige Zuordnung von "Verfassungswidrigkeit" durch einen Richter. Dieser müßte bei Vorlage derselben Fälle ohne Erinnerung an seine vorangegangene Entscheidung in gleicher Weise zuordnen wie beim ersten Mal.
Konsistenz: wenn die Zuordnung von allen Beobachtern übereinstimmend vorgenommen wird. Beispiel: Wenn alle Richter im Geltungsbereich des Gesetzes übereinstimmende Zuord-nungen vornehmen würden.
2 Hypothesen und Theorien
2.1 Definition: Was ist eine Hypothese? Was ist eine Theorie?
"Hypothesen sind aus präzise definierten Begriffen zusamengesetzte Sätze, die mit mehr oder weniger Wahrheitsanspruch mehr oder weniger allgemeine Aussagen über bestimmte Bereiche der Realität enthalten. Ein System von Hypothesen ist eine Theorie. Oft wird schon eine einzelne zentrale Hypothese als Theorie bezeichnet." (Eberhard 1977, 4)
"Als Theorie wird allgemein ein System von über den Einzelfall hinausgehenden Aussagen bezeichnet, das dazu dient, Erkenntnisse über einen Tatsachenbereich [...] zu ordnen und das Auftreten dieser Tatsachen zu erklären. In der Forschung haben Theorien vor allem die Funktion, das Erkenntnisinteresse und die Fragestellung zu leiten sowie eine Strategie für die Erhebung und Auswertung der Daten bereitzustellen [...]. Dem Praktiker sollen Theorien Voraussagen und Erklärungen, Verständnis und eine gewisse Kontrolle problematischer Situationen ermöglichen." (Dolde 1993, 541)
Theorien sollen Sachverhalte aufgrund der mit ihnen verbundenen Gesetzmäßigkeiten über den Einzelfall hinaus erklären und auf der Grundlage dieser Gesetzmäßigkeiten Voraussagen ermöglichen.
Zu den Begriffen "Theorie" und "Gesetz":
Gemeinsamkeit: allgemeine Aussagen mit Erklärungswert, die empirisch geprüft und noch nicht widerlegt worden sind.
Unterschied: Theorie ist eine Zusammenfassung von Gesetzen, besser: Hypothesen. Denn sie können in den Sozialwissenschaften aufgrund ihres Wahrscheinlichkeitscharakters relativ leicht widerlegt (falsifiziert) werden. Es gibt keine "wahren", "verifizierten" Theorien. Zukünftige, noch unbekannte Ereignisse können widerlegen. (542).
2.2 Inhalte und Formen von Hypothesen
Man unterscheidet Hypothesen sinnvollerweise nach ihren Inhalten und Formen.
2.2.1 Inhalte von Hypothesen
(vgl. Opp 1970, 14, zit. n. Eberhard 1977, 4)
phänomenologische Hypothesen (behaupten und beschreiben Realitäten)
Wie unterscheidet sich das Erscheinungsbild der Menschen (oder anderer Merkmalsträger) mit dem Merkmal A von denen, die das Merkmal A nicht haben?
Wenn man Aussagen über Körperbehinderte, Straffällige, Sozialhilfeempfänger, Arbeitslose, Rechtsradikale usw. machen will, muß man sie vorher mit Nicht-Körperbehinderten, Nicht-Straffälligen, Nicht-Sozialhilfeempfängern, Nicht-Arbeitslosen, Nicht-Rechtsradikalen vergleichen.
kausale Hypothesen (behaupten Ursachen von Realitäten)
Welche Einwirkungen führen dazu, daß sich bei den Menschen (oder anderen Merkmalsträgern) das Merkmal A entwickelte (Einwirkungen können aus der Umwelt und aus der Innenwelt des Menschen stammen)?
Welche Einwirkungen gibt es, daß Menschen körperbehindert, straffällig, sozialhilfebedürftig, arbeitslos, rechtsradikal werden?
strategische Hypothesen (behaupten Einwirkungsmöglichkeiten auf Realitäten)
Welche Einwirkungen führen dazu, daß die Menschen (oder andere Merk-malsträger) das Merkmal A verlieren oder daß das Merkmal A schwächer wird?
Welche Einwirkungen führen dazu, daß Menschen die nicht-notwendigen Einschränkungen ihrer Körperbehinderung oder gar ihre Körperbehinderung selbst verlieren? Welche Einwirkungen führen dazu, daß Menschen ihr Merkmal der Straffälligkeit, der Sozialhilfebedürftigkeit, der Arbeitslosig-
keit, des Rechtsradikalismus verlieren?
2.2.2 Formen von Hypothesen
(vgl. Groeben und Westmeyer 1976, 108ff, zit. n. Eberhard 1977, 4f)
Die Formen von Hypothesen beziehen sich auf den Grad ihrer Verallgemeinerung oder Generalisierung, also auf ihre Aussagekraft und Reichweite.
Universelle Hypothesen
Sie sind anwendbar auf alle Fälle einer bestimmten Art und räumlich und zeitlich unbeschränkt.
Beispiel:
Wenn auf Straftaten Jugendlicher keine amtliche Sanktionierung erfolgt, verringert sich in der Zukunft die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Straftaten Jugendlicher.
Singuläre Hypothesen
Sie sind anwendbar auf bestimmte Fälle und machen Aussagen über diese.
Beispiel:
Der Erlebnisurlaub in der Sahara hatte in puncto Erlernen von Regeln positive Auswirkungen auf Johannes.
Existenzhypothesen
Sie behaupten das Vorliegen bestimmter Sachverhalte oder den Eintritt bestimmter Ereignisse.
Beispiel:
Es gibt für jeden Menschen Situationen, in denen er zum Mörder werden kann.
Statistische Hypothesen
Sie drücken statistische Beziehungen aus, bspw. durch Mittelwerte (Durchschnitte) und Korrelationen (Zusammenhänge). Sie beziehen sich auf universelle Hypothesen in ihren verschiedenen Spielarten (unbeschränkt-universell, beschränkt-universell, quasi-universell)
Beispiele:
Intelligenz- und Schulleistungen korrelieren zu 0.60 miteinander.
Europäische Länder ohne lebenslange Freiheitsstrafe (Spanien, Norwegen, Zypern) haben im Durchschnitt eine jährliche Rate von 1,26 vollendeten Tötungsdelikten pro 100.000 Einwohner.
Europäische Länder mit lebenslanger Freiheitsstrafe (England & Wales, Schottland, Frankreich, Niederlande, Österreich, Deutschland [alte Bundesländer]) haben eine gemeinsame jährliche Rate von 1,58 vollendeten Tötungsdelikten pro 100.000 Einwohner.
Vergleicht man die beiden letzten Hypothesen miteinander, so kommt man zu einer phänomenologischen Hypothese. Probieren Sie es aus!
Teil II: Theorien (Hypothesen), Erkenntniswege und gesellschaftlicher Erkenntnisprozeß
Dieser Teil behandelt zuerst die Einbindung der Theorien in den gesellschaftlichen Erkenntnisprozeß. Ein Teil des gesellschaftlichen Erkenntnisprozesses spiegelt sich ferner in den verschiedenen Erkenntniswegen und im Erkenntnisinteresse des Wissenschaftlers wider, der sich einem Forschungsgegenstand nähert:
Literatur:
Eberhard, Kurt. Einführung in die Wissenschaftsheorie und Forschungsstatistik für soziale Berufe. 2. Aufl. Neuwied, Darmstadt: Luchterhand, 1977
Gadamer, Hans-Georg. "Hermeneutik". Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg. Joa- chim Ritter. Basel, Stuttgart, 1974
Habermas, Jürgen. Technik und Wissenschaft als "Ideologie". Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1969
Kruse, Otto. Keine Angst vor dem leeren Blatt: Ohne Schreibblockaden durchs Studium. 6. Aufl. Frankfurt a.M., New York: Campus Verlag, 1998.
Moser, Heinz. Aktionsforschung als kritische Theorie der Sozialwissenschaften. München, 1975
Schleifstein, Josef. Einführung in das Studium von Marx, Engels und Lenin. 3. Aufl. München: C.H. Beck, 1975
1 Einbindung von Theorien in den gesellschaftlichen Erkenntnisprozeß
Mündliche Erläuterung anhand des Schemas des gesellschaftlichen Erkenntnisprozesses von Eberhard (Anlage 1). Die einzelnen Schritte und Begriffe wurden erklärt. Zum Nachlesen: Eberhard (1977, 8ff).
2 Erkenntniswege
Eberhard (1977, 17) geht von fünf verschiedenen Erkenntniswegen aus:
deduktiv-dogmatischer Erkenntnisweg
Ausgangspunkt ist Richtigkeit einer umfassenden Theorie, alle Fragestellungen werden gemäß dieser Grundtheorie bearbeitet, werden von ihr abgeleitet (deduziert). Ein Dogma ist ein Lehrsatz, dessen Wahrheitsgehalt nur gläubig hingenommen als unanfechtbar gilt, der deshalb zur Grundlage einer Glaubenslehre oder einer Ideologie gemacht wird.
Beispiele:
Unfehlbarkeit des Papstes
Prädestinationslehre (Luther, Zwingli, Calvin)
Orthodoxer und undialektischer Marxismus, in dem nur das Sein das Bewußtsein bestimmt.
induktiv-empiristischer Erkenntnisweg
Schluß vom Einzelnen, Besonderen auf etwas Allgemeines, Gesetzmäßiges. Aus dem Sammeln von Beobachtungen und deren Verknüpfungen gelangt man zu einer Theorie (Induktion)
Beispiele eines Induktionsschlusses:
Gold, Silber, Eisen usw. sind Metalle. Gold, Silber, Eisen usw. sind schwerer als Wasser. Also sind alle Metalle schwerer als Wasser. Der Schluß war richtig, bis das Kalium entdeckt wurde.
Unter Strafgefangenen sind Unterschichtsangehörige überrepräsentiert (ca. 80% der Strafgefangenen gehören der Unterschicht an). Also ist der weitaus triftigste Grund für die Straffälligkeit die Zugehörigkeit zur Unterschicht.
Strafrechtlich auffällige Drogenabhängige stammen aus strukturell oder funktional unvollständigen Familien. Also sind solche Familien der Grund für Drogenabhängigkeit.
deduktiv-theoriekritischer Erkenntnisweg
Aus dem Verstand geborene Theorien und daraus abgeleitete Prüfhypothesen (Deduktion, vgl. Schema gesellschaftlicher Erkenntnisprozeß ab Punkt 7.2), werden logisch und empirisch kontrolliert. Die Vertreter dieses Erkenntnisweges nennen sich kritische Rationalisten (z.B. Albert, Popper, Topitsch). Im Anschluß an Comte (1798-1857). Man nennt die kritischen Rationalisten auch Neopositivisten oder theoreiekritische Positivisten. Sie halten sich an das, was "positiv" gegeben ist: beobachtbare Tatsachen bzw. die durch solche Tatsachen hervorgerufenen Empfindungen.
Kennzeichen dieses Erkenntnisweges:
Ablehnung der Metaphysik (Metaphysik = das, was sich hinter dem Physischen verbirgt, Grundwissenschaft, in der alle philosophischen Disziplinen (Ontologie, philosoph. Antrhropologie oder Existenzphi-losophie), Theologie wurzeln;
grundlegende Funktion der Erfahrung, Beobachtung;
Primat der Theorie;
kontrollierende Funktion der Empirie.
Kritik des theoretiekritischen Erkenntnisweges:
Fiktion der "Wertfreiheit";
ahistorische Ausrichtung (Desinteresse an der Entstehungsgeschichte wissenschaftlicher Hypothesen);
Trennung von Theorie und Praxis.
dialektisch-materialistischer Erkenntnisweg
Vertreter: Marx, Engels, Lenin usw.