Entwicklung der Hadīthwissenschaften
Die Hadīthwissenschaften mit ihrer heute bekannten Fachterminologie hat es in dieser Form nicht von Beginn des Islams an gegeben, sondern sie haben sich erst im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte der islamischen Geschichte entwickelt.
Im Folgenden wird ein systematischer und historischer Überblick über die Entwicklung der Hadīthwissenschaften mit ihren beiden Kategorien gegeben, der aufzeigen soll, dass es eigentlich kaum eine Zeit gab, in der sich die Gelehrten nicht mit den Überlieferungen des Propheten - Allahs Segen und Friede auf ihm - beschäftigt haben. Interessant ist ferner zu erwähnen, dass sich in anderen Kulturkreisen oder Religionen die Überlieferungswissenschaft nicht so stark etabliert hat, wodurch keinerlei nichtislamische Einflüsse auf die Entwicklung der Hadīthwissenschaften stattgefunden haben.
Man kann die Entwicklung der Hadīthwissenschaften in sieben Phasen unterteilen:
erteilen:
2.2 Erste Phase
Hierbei handelt es sich um die Entwicklungsphase zu Lebzeiten der Sahāba. Die Sahāba sind diejenigen, die am Leben des Gesandten Allahs – Allahs Segen und Friede auf ihm – teilhaben durften und das Privileg besaßen, die Worte unseres Propheten - Allahs Segen und Friede auf ihm - direkt aus seinem Munde zu hören und seine Handlungen mit ihren eigenen Augen beobachten zu können. Den wichtigsten Faktor für diese authentische und detaillierte Wiedergabe der Aussagen und Lebenssituationen unseres Propheten - Allahs Segen und Friede auf ihm - stellt hierbei ohne Zweifel das Auswendiglernen der Hadīthe dar.
Die Faktoren, die den Sahāba in dieser Hinsicht geholfen haben, sind im Folgenden dargestellt.
· Als wichtigster Faktor für das Auswendiglernen der Hadīthe ist ihr ungewöhnlich starkes Gedächtnis anzusehen. So waren die Araber schon in der vorislamischen Zeit dafür bekannt, lange Gedichte (Qasā’id) ohne große Probleme zu behalten und ihre extrem langen Genealogien auswendig und jederzeit wiedergeben zu können. Es blieb ihnen schließlich auch nichts anderes übrig, da der Großteil von ihnen weder lesen noch schreiben konnte, weshalb es auch kaum schriftliche Zeugnisse aus vorislamischer Zeit gibt. Hinzu kam, dass sie als Nomaden, aber auch als urbane Araber, ein sehr einfaches Leben führten und dementsprechend ihr Gedächtnis nicht mit anderen Informationen und Wissenschaften vorbelastet war.
· Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass jeder Sahābī so viel wie möglich vom Propheten – Allahs Segen und Friede auf ihm – wissen wollte. Einerseits, um auch bei Abwesenheit des Propheten – Allahs Segen und Friede auf ihm – Anweisungen für sein Leben zu haben, und andererseits, diese auswendig gelernten Hadīthe an andere Muslime weitergeben zu können, die den Propheten – Allahs Segen und Friede auf ihm – gar nicht gesehen haben oder nur selten mit ihm zusammentrafen. Intensiviert wurde dieser Drang zudem durch diesbezügliche Empfehlungen unseres Propheten – Allahs Segen und Friede auf ihm –.
Zaid Ibn Thābit sagte: „Ich habe den Gesandten Allahs – Allahs Segen und Friede auf ihm – sagen hören: „Möge Allah denjenigen glänzen lassen, der meine Worte hört und sie übermittelt, denn gar mancher Träger von Wissen ist nicht wissend und gar mancher Träger von Wissen gibt es an einen Wissenderen als er selber ist weiter.“
Wie sehr die Sahāba darauf bedacht waren, alles über den Propheten – Allahs Segen und Friede auf ihm – zu erfahren, geht aus folgender Schilderung ’Umars hervor:
’Umar sagte: „Ich und ein Nachbar von den Ansar haben unter dem Clan Banū Umaiya Ibn Zaid gewohnt, die auf den Anhöhen Madinas ansässig waren und haben uns darin abgewechselt, zum Gesandten Allahs – Allahs Segen und Friede auf ihm - hinunter zu gehen. So ging er einen Tag und ich einen Tag. Wenn ich hinunterging, brachte ich ihm die Nachrichten dieses Tages, was es an Offenbarungen und anderem gab, und wenn er hinunterging, tat er das gleiche." 9 ibn maja
10 buchari
Die Art und Weise, in der der Gesandte Allahs - Allahs Segen und Friede auf ihm - mit seinen Gefährten gesprochen hat, spielt hierbei auch eine sehr wichtige Rolle. So wusste der Prophet - Allahs Segen und Friede auf ihm -, dass seine Sunna neben dem Qur‘ān die zweite Quelle des Islams ist und dass die Sahāba nach seinem Tod den Islam in der Welt verbreiten werden. Aus diesem Grund hat der Prophet – Allahs Segen und Friede auf ihm – beim Sprechen mit den Sahāba auf besondere Aspekte geachtet, die es den Sahāba einfacher machten, seine Worte zu behalten.
Die wichtigsten Aspekte
· Er hat langsam gesprochen, sodass ihn jeder verstehen und ihm folgen konnte.
· Er wählte geeignete Zeiten für seine Ansprachen aus.
Abū Wā‘il berichtete, dass ’Abdullah jeden Donnerstag die Leute erinnerte, woraufhin ein Mann zu ihm sprach: „O Abū ’Abdirrahmān, ich würde mir wünschen, dass du uns jeden Tag erinnerst.“ Er entgegnete: „Es hält mich nur die Befürchtung davon ab, euch zu langweilen. Ich ermahne euch deshalb (nur) von Zeit zu Zeit wie der Prophet – Allahs Segen und Friede seien auf ihm – dies bei uns von Zeit zu Zeit getan hat, nämlich aus Angst uns zu langweilen.
bucharie
’Ā`ischa berichtete: „Der Prophet hat nicht so aufeinanderfolgend geredet wie ihr das tut, sondern er verwendete klare und deutliche Worte, die jeder, der bei ihm sitzt, auswendig lernt."
· Oft wiederholte er seine Worte mehrere Male und zu verschiedenen Anlässen, damit sich seine Worte bei den Sahāba einprägten.
Anas Ibn Mālik berichtet: „Der Gesandte Allahs – Allahs Segen und Friede auf ihm – pflegte seine Worte drei Mal zu wiederholen, damit diese von ihm verstanden werden konnten.“ thirmidi
Aicha r; Seine Worte waren so einprägend und rhetorisch einwandfrei, dass man diese sofort behalten konnte.
Abū Huraira berichtet, dass der Gesandte Allahs – Allahs Segen und Friede auf ihm – sagte: „Ich wurde gegenüber den Propheten in sechs (Dingen) bevorzugt: Mir wurden die umfassenden Worte gegeben (die rhetorisch einwandfrei sind)...“ muslim
Die Niederschrift der Hadīthe durch die Sahāba
Unter den muslimischen Gelehrten gibt es Meinungsverschiedenheiten darüber, ob zur Zeit des Propheten – Allahs Segen und Friede auf ihm – Hadīthe niedergeschrieben wurden oder nicht. Diese Kontroverse lässt sich auf verschiedene authentische Hadīthe zurückführen, in denen der Prophet – Allahs Segen und Friede auf ihm – einerseits verbietet, etwas anderes als den Qur‘ān aufzuschreiben, andererseits jedoch einigen Sahāba erlaubt, seine Worte aufzuschreiben.
So überliefern Imām Muslim und Ahmad von Abū Huraira – Allahs Wohlgefallen auf ihm –, dass der Gesandte Allahs – Allahs Segen und Friede auf ihm – gesagt hat: „Schreibt von mir nichts auf als denn den Qur‘ān! Wer von mir schon etwas außer dem Qur‘ān aufgeschrieben hat, soll es löschen!“
Ahmad
Amr ibn as bei Bucharie:
Wohlgefallen auf ihm –, dass dieser sagte: „Keiner der Sahāba des Gesandten Allahs – Allahs Segen und Friede auf ihm – kannte mehr Hadīthe als ich, außer ’Abdullah Ibn ’Amr, denn er schrieb auf und ich schrieb nicht auf.“
Zu Beginn wurde die Niederschrift verboten, aber als die Sunna umfangreicher wurde, hat der Prophet – Allahs Segen und Friede auf ihm – einigen Sahāba, die, wie Ibn ’Amr, des Schreibens kundig waren, erlaubt, die Sunna aufzuschreiben.
Es wurde nur verboten, den Qur‘ān und die Sunna in denselben Aufzeichnungen niederzuschreiben, um eine Vermischung zu verhindern.
Der Prophet – Allahs Segen und Friede auf ihm – wollte anfangs nicht, dass die Sahāba durch das Aufschreiben der Sunna vom Qur‘ān abgelenkt werden, hat es jedoch später einigen Sahāba erlaubt.
Dass die Sunna zu Lebzeiten des Propheten – Allahs Segen und Friede auf ihm – teilweise niedergeschrieben wurde, ist durch verschiedene Überlieferungen, die in ihrer Gesamtzahl die Stufe des Mutawātir Ma’nāwī-Hadīthes erreichen, historisch belegt.
Muttawatir zu leugnen bedeutet den 100% Beleg nicht zu akzeptieren wofür man in die Hölle muss.
Idschma' ist ein hundertprozentiger Beweis Dass das Übereinkommen aller Gelehrten eines Zeitalters ein absoluter Beweis für die Richtigkeit der betreffenden Bestimmung ist, wird anhand folgender Argumente begründet: 1. Aus dem Koran: "Wer sich aber mit dem Gesandten verfeindet, nachdem ihm der rechte Weg klar geworden ist, und einen anderen Weg befolgt als den der Gläubigen , den werden Wir verfolgen lassen, was er verfolgt, und werden ihn dann in der Hölle brennen lassen; und schlimm ist sein Ende.“[4:115] Der Korankommentator Imam al-Qurtubi sagte: “Mit der Aussage “...(wer) einen anderen Weg befolgt als den der Gläubigen...”[4:115] ist die Leugnung des Übereinkommens (arab. idschma') der Mudschtahid-Imame gemeint. In diesem Koranvers ist eine Warnung an diejenigen gerichtet, die den idschma' der MudschtahidImame leugnen.“15 Abu Bakr al-Ddschassas sagt: “In diesem Koranvers wird denjenigen, die sich vom Weg der Gläubigen trennen, die Höllenpein angedroht. Damit sind die Leugner des 15 Imam Qurtubi, “Al-Dschami' li ahkamul-Quran” (5/386)
Übereinkommens (arab. idschma') der muslimischen Umma gemeint.”16 2. Aus der Sunna: Die Aussage des Propheten (s.a.s.): “Meine Gemeinschaft (arab. umma) kommt nicht in einem Irrtum überein.”17 Da das Vorliegen eines Idschma' ein hundertprozentiger Beweis für die Wahrheit einer Bestimmung für einen bestimmten Sachverhalt ist, tritt jemand aus dem Islam aus, wenn er die betreffende Bestimmung leugnet.
Das Niederschreiben in dieser Phase unterscheidet sich jedoch vom Aufschreiben der Hadīthe in späteren Phasen. Denn zur Zeit der Sahāba wurden die Sammlungen für individuelle Zwecke erstellt und sind somit nur von einem kleinen Kreis von Menschen verwendet worden. In späteren Phasen dagegen wurden die Hadīth-Werke als Nachschlagewerke für alle Menschen veröffentlicht und vervielfacht.
Einige Hadīthsammlungen der Sahāba
· As-sahīfatus-sādiqa von ’Abdullah Ibn ’Amr Ibn Al-’Ās
· Die Sammlung von ‘Alī Ibn Abī Tālib
· Die Sammlung von Sa’ad Ibn ’Ubāda
· Die Briefe des Propheten – Allahs Segen und Friede auf ihm – an seine Heeresführer und Helfer
Die Vorgehensweise der Sahāba in Bezug auf die Überlieferung von Hadīthen
· Sie haben nur das Nötigste überliefert, damit ihnen keine oder so wenig wie möglich Fehler unterlaufen und um mehr Zeit zu haben, sich mit dem Qur‘ān zu beschäftigen.
· Sie überprüften die Authentizität der Hadīthe, die ihnen zu Ohren kamen, bevor sie diese als authentisch verifiziert haben. Hierzu gibt es Beispiele aus Biographien der Sahāba.
Ibn Schihāb überliefert, dass eine Großmutter zu Abū Bakr ging um ihren Anteil vom Erbe einzufordern. Abū Bakr sagte zu ihr: „Ich finde weder im Buche Allahs etwas für dich, noch wüsste ich, dass der Gesandte Allahs für dich etwas erwähnt hatte (also dass der Großmutter ein Teil des Erbes zusteht).“ Er fragte dann bei den Leuten darüber nach, bis Al-Mughīra aufstand und sagte: „Ich war bei dem Gesandten Allah – Allahs Segen und Friede auf ihm – zugegen, als er ihr (der Großmutter) das Sechstel (des Erbes) gab.“ Abū Bakr fragte daraufhin: „Hast du jemanden mit dir (der dies bestätigen kann)?“ Woraufhin Muhammed Ibn Maslama das Gleiche bezeugte und Abū Bakr ihrer Forderung nachkam.
· Die kritische Beurteilung der Matns (Texte) der Hadīthe mit den Grundlagen der Religion. Sollte demnach ein Hadīth diesen Grundlagen widersprechen, wurde er abgelehnt.