Ich habe nicht alle Antworten hier gelesen, möchte aber als Christ meinen Senf dazu geben:
Es gibt tatsächlich viele Christen, die von sich sagen, sie nähmen das Alte Testament nicht als "gültige" Gottesoffenbarung ernst. Für viele wirkt der Gott des Alten Testaments befremdlich, weil er häufig die Menschen für ihre Sünden richtet, was für einen gerechten Gott eigentlich nicht verwunderlich ist. Weiterhin sagen viele, dass das Gesetz Moses keine Gültigkeit mehr für uns heute hat.
Da ist was dran.
Das Gesetz Mose ist laut Bibel der Bundesschluss zwischen Gott und den Kindern Israels. Ich für mein Teil bin kein Kind Israels und daher nicht Teil dieses Bundes und von dem Gesetz ausgeschlossen. Ich könnte, theoretisch, Proselyt werden und sagen: ich will zu euch gehören. Und dann müsste ich alle Gebote aus dem Gesetz Mose halten.
Ich bin aber kein Proselyt und Christen im Allgemeinen sind es auch nicht.
Dazu war der Zweck des Gesetzes nicht, dass man sich anhand des Haltens der Gebote in den Himmel arbeiten kann. Es steht zwar geschrieben, dass der, der alles tut, was im Gesetz geschrieben steht, diesen Segen bekommen würde, aber von Jesus abgesehen ist es keinem Menschen möglich, immer und zu jeder Zeit alle Gebote zu halten. Und wer in einem Punkt das Gesetz übertritt, ist das gesamte Gesetz schuldig und steht unter dem Fluch Gottes.
Sogesehen ist das Gesetz in seiner Funktion für eine Sache da: Es soll den Menschen seine Verlorenheit und seine Bedürftigkeit, gerettet zu werden, vor Augen halten.
Bei einigen Punkten des AT wird auch sehr deutlich, dass es auf Christen von vornherein nicht anzuwenden ist:
Christen glauben, dass Jesus als Opfer für ALLE ihre Sünden und Unreinheiten am Kreuz von Gott geopfert worden ist. Die Bibel sagt dazu, er sei ein für alle mal für unsere Sünden gestorben. Dieses Opfer braucht es nur einmal geben und es tilgt alle Schuld der Vergangenheit und der Zunkunft. Daher sind alle Opfervorschriften des Alten Testaments erfüllt - nicht hinfällig oder überflüssig, sondern erfüllt. Der Zweck dieser Opfervorschriften war eine Vorrausschau des Opfers Jesu am Kreuz und erfüllte sich in ihm. Wenn sich ein Christ heute hinstellen würde, und irgendwelche Ziegenböcke oder ähnliches Opfern würde, wäre das eine schwere Sünde und die Geringschätzung des Opfers Jesu. (und bitte diskutiert jetzt nicht darüber, ob Jesus nun am Kreuz starb oder nicht: wir glauben das und es ist nicht diskutabel, darauf baut unser glaube auf und wenn ihr uns ein bissl ernst nehmt, dann nehmt doch einfach hin, dass wir das glauben, ihr müsst es ja nicht ;))
Mit dem Hintergrund gibt es verschiedene Herangehensweisen an das Gesetz. Es gibt z. B. die Adventisten, die sich versuchen, weitesgehend an das AT zu halten, den Sabbat feiern, kein Schwein essen... und so weiter. Dann gibt es die Evangelische Kirche, die sich im Groben und ganzen gar nicht mehr an der Bibel orientiert sondern tut und lässt, was sie will im vorrauseilendem Gehorsam gegenüber der Mainstreammeinung. Dann gibt es die Katholische Kirche, die ihre Lehre nicht nur auf der Bibel gründet (und dieser in allen wesentlichen Punkten sogar widerspricht) und sich eigene Gesetze Drumherum aufgrund ihrer Tradition zimmert.
Dazwischen gibt es viele, die als Kinder Gottes (und die findet man in fast jeder Denomination, aber mal mehr mal weniger) mit Gott einen Weg suchen, richtig durch dieses Leben zu gehen. Dazu gehört, Gott immer besser kennen zu lernen und das geht über die (ganze!) Bibel, die man immer wieder liest und in der wir Eigenschaften Gottes entdecken, die wir in unserem Leben durch den Heiligen Geist als wahr und real erfahren und selbst nach und nach, wenn auch nie bis zu Vollkommenheit, umsetzen und uns verändern in wie die Bibel das sagt "das Bild Jesu Christi". Als Christ lebt man also nicht von einem Gesetzeskatalog, der einen in den Himmel bringen soll (oder Gott dastehen lässt mit strafend erhobenen Zeigefinger), sondern mit einem Buch, mit dem man Gottes Charakter Stück für Stück immer besser kennenlernt und ins eigene Leben überträgt. Den Himmel müssen wir uns nicht mehr verdienen und ihn können wir im allgemeinen nicht mehr verfehlen.
Und daher muss sich auch kein Christ hinstellen, und anderen aufdrücken, dass sie kein Schwein mehr essen dürfen, weil's ja bei Mose steht.
Nicht nur Paulus äußert sich gegen eine solche Anwendung des Gesetzes auf Heiden, auch die anderen Apostel. Und wenn man genau liest, stellt man fest, dass Jesus der Samariterin am Jakobsbrunnen auch nicht sagte, geh hin und halte das ganze Gesetz, sondern ihr nur anbot, ihr Lebendiges Wasser zu geben, wenn sie ihn nur darum bittet (ein Bild für ewiges Leben) und nur ihre vielen Männer und den derzeitigen, der nicht ihr Mann war, efststellte, ohne eine Aufforderung, was sie damit tun sollte (wobei wohl davon ausgegangen werden kann, dass die Frau schon ihre Schlüsse darauf zog, was sie damit tun sollte - z. B. den Mann heiraten oder verlassen)